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Die Welt von Gestern - Erinnerungen eines Europäers
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kein einziges mehr erhältlich; wer noch ein Exemplar besitzt, hält es sorgfältig verborgen, und in den öffentlichen Bibliotheken bleiben sie im sogenannten »Giftschrank« versteckt für die wenigen, die sie mit besonderer Erlaubnis der Behörden – meistens zu Beschimpfungszwecken – ›wissenschaftlich‹ benützen wollen. Von den Lesern, von den Freunden, die mir schrieben, wagt längst keiner mehr meinen geächteten Namen auf einen Briefumschlag zu setzen. Und nicht genug an dem: auch in Frankreich, in Italien, in all den zur Zeit geknechteten Ländern, in denen meine Bücher in Übertragungen zu den gelesensten gehörten, ist heute gleichfalls auf Hitlers Befehl der Bann verhängt. Ich bin heute als Schriftsteller, wie unser Grillparzer sagte, einer, der ›lebend hinter seiner eigenen Leiche geht‹; alles oder fast alles, was ich in vierzig Jahren international aufbaute, hat diese eine Faust zertrümmert. So spreche ich, wenn ich meinen ›Erfolg‹ erwähne, nicht von etwas, das zu mir gehört, sondern das einstmals zu mir gehörte wie mein Haus, meine Heimat, meine Selbstsicherheit, meine Freiheit, meine Unbefangenheit; ich könnte also den Absturz, den ich – mit unzähligen andern und ebenso Schuldlosen – später erlitten, nicht in seiner ganzen Tiefe und Totalität anschaulich machen, wenn ich nicht zuvor die Höhe zeigte, von der er erfolgte, und nicht auch die Einmaligkeit und Konsequenz dieser Ausrottung unserer ganzen literarischen Generation, für die ich eigentlich in der Geschichte kein zweites Beispiel weiß. Dieser Erfolg war mir nicht plötzlich ins Haus gestürmt; er kam langsam, behutsam, aber er blieb bis zur Stunde, da Hitler ihn mit der Peitsche seiner Dekrete von mir wegjagte, beharrlich und treu. Er steigerte seine Wirkung von Jahr zu Jahr. Gleich das erste Buch, das ich nach dem ›Jeremias‹ veröffentlichte, der erste Band meiner ›Baumeister der Welt‹, die Trilogie ›Drei Meister‹, brach mir Bahn; die Expressionisten, die Aktivisten, die Experimentisten hatten sich abgespielt, für die Geduldigen und Beharrlichen war der Weg zum Volke wieder frei. Meine Novellen ›Amok‹ und ›Brief einer Unbekannten‹ wurden populär wie sonst nur Romane, sie wurden dramatisiert, öffentlich rezitiert, verfilmt; ein kleines Büchlein ›Sternstunden der Menschheit‹ – in allen Schulen gelesen – brachte es in kurzer Zeit in der ›Insel-Bücherei‹ auf 250 000 Exemplare. In wenigen Jahren hatte ich mir geschaffen, was nach meinem Empfinden für einen Autor die wertvollste Art eines Erfolges darstellt: eine Gemeinde, eine verläßliche Gruppe von Menschen, die jedes neue Buch erwartete, jedes neue Buch kaufte, die einem vertraute, und deren Vertrauen man nicht enttäuschen durfte. Allmählich wurde sie groß und größer; von jedem Buch, das ich veröffentlichte, waren in Deutschland am ersten Tage zwanzigtausend Exemplare verkauft, noch ehe eine einzige Anzeige in den Zeitungen erschienen war. Manchmal versuchte ich bewußt dem Erfolg auszuweichen, 233
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Die Welt von Gestern Erinnerungen eines Europäers
Title
Die Welt von Gestern
Subtitle
Erinnerungen eines Europäers
Author
Stefan Zweig
Date
1942
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
320
Keywords
Biographie, Litertaur, Schriftsteller
Category
Biographien

Table of contents

  1. Vorwort 5
  2. Die Welt der Sicherheit 10
  3. Die Schule im vorigen Jahrhundert 29
  4. Eros Matutinus 56
  5. Universitas vitae 74
  6. Paris, die Stadt der ewigen Jugend 98
  7. Umwege auf dem Wege zu mir selbst 122
  8. Über Europa hinaus 135
  9. Glanz und Schatten über Europa 145
  10. Die ersten Stunden des Krieges von 1914 160
  11. Der Kampf um die geistige Brüderschaft 177
  12. Im Herzen Europas 189
  13. Heimkehr nach Österreich 208
  14. Wieder in der Welt 224
  15. Sonnenuntergang 240
  16. Incipit Hitler 263
  17. Die Agonie des Friedens 286
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