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Die Welt von Gestern - Erinnerungen eines Europäers
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geben, aber sie blieb noch immer eine halboffizielle Maßnahme, und nichts zeigt deutlicher, wie wenig sich Deutschland damals noch mit solchen Akten identifizierte, als daß das Publikum aus diesen studentischen Verbrennungen und Ächtungen nicht die geringsten Konsequenzen zog. Obwohl die Buchhändler ermahnt wurden, keines unserer Bücher in die Auslage zu legen und obwohl keine Zeitung mehr ihrer Erwähnung tat, ließ sich das wirkliche Publikum nicht im mindesten beeinflussen. Solange noch nicht Zuchthaus oder Konzentrationslager darauf stand, wurden meine Bücher noch 1933 und 1934 trotz allen Schwierigkeiten und Schikanen fast ebenso zahlreich wie vordem verkauft. Erst mußte jene grandiose Verordnung ›zum Schutz des deutschen Volkes‹ Gesetz werden, die Druck, Verkauf und Verbreitung unserer Bücher zum Staatsverbrechen erklärte, um uns gewaltsam den Hunderttausenden und Millionen Deutscher zu entfremden, die noch jetzt uns lieber als alle die plötzlich aufgeplusterten Blut- und Bodendichter lesen und in unserem Wirken treu begleiten wollten. Dieses Schicksal völliger literarischer Existenzvernichtung in Deutschland mit so eminenten Zeitgenossen wie Thomas Mann, Heinrich Mann, Werfel, Freud und Einstein und manchen anderen, deren Werk ich ungleich wichtiger nehme als das meine, teilen zu dürfen, habe ich eher als Ehre empfunden denn als Schmach, und jedwede Märtyrergeste widerstrebt mir dermaßen, daß ich dieser Einbeziehung ins allgemeine Schicksal nur ungern Erwähnung tue. Aber seltsamerweise war es gerade mir beschieden, die Nationalsozialisten und sogar Adolf Hitler in persona in eine besonders peinliche Situation zu bringen. Just meine literarische Gestalt unter all den Geächteten ist in den hohen und höchsten Kreisen der Berchtesgadener Villa immer wieder Gegenstand der wildesten Erregung und endloser Debatten gewesen, so daß ich den erfreulichen Dingen meines Lebens die bescheidene Genugtuung beifügen kann, dem zeitweilig mächtigsten Manne der Neuzeit, Adolf Hitler, Ärgernis verursacht zu haben. Schon in den ersten Tagen des neuen Regimes hatte ich unschuldigerweise eine Art Aufruhr verschuldet. Es lief nämlich damals durch ganz Deutschland ein Film, der nach meiner Novelle ›Brennendes Geheimnis‹ verfaßt und ebenso betitelt war. Niemand nahm daran den geringsten Anstoß. Aber am Tage nach dem Brand des Reichstags, den vergeblich die Nationalsozialisten aus ihren Schuhen in die der Kommunisten zu schieben suchten, ereignete es sich, daß vor den Kinoüberschriften und Plakaten ›Brennendes Geheimnis‹ die Leute sich sammelten, einer den andern zwinkernd anstoßend und lachend. Bald verstanden die Gestapo-Leute, warum man bei diesem Titel lachte. Und noch am selben Abend jagten auf Motorrädern Polizisten herum, die Vorstellungen wurden verboten, vom nächsten Tage an war der Titel meiner Novelle ›Brennendes Geheimnis‹ aus allen 269
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Die Welt von Gestern Erinnerungen eines Europäers
Title
Die Welt von Gestern
Subtitle
Erinnerungen eines Europäers
Author
Stefan Zweig
Date
1942
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
320
Keywords
Biographie, Litertaur, Schriftsteller
Category
Biographien

Table of contents

  1. Vorwort 5
  2. Die Welt der Sicherheit 10
  3. Die Schule im vorigen Jahrhundert 29
  4. Eros Matutinus 56
  5. Universitas vitae 74
  6. Paris, die Stadt der ewigen Jugend 98
  7. Umwege auf dem Wege zu mir selbst 122
  8. Über Europa hinaus 135
  9. Glanz und Schatten über Europa 145
  10. Die ersten Stunden des Krieges von 1914 160
  11. Der Kampf um die geistige Brüderschaft 177
  12. Im Herzen Europas 189
  13. Heimkehr nach Österreich 208
  14. Wieder in der Welt 224
  15. Sonnenuntergang 240
  16. Incipit Hitler 263
  17. Die Agonie des Friedens 286
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