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Die Welt von Gestern - Erinnerungen eines Europäers
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Strauss vor den Allgewaltigen zitiert, und Hitler teilte ihm in persona mit, daß er die Aufführung, obwohl sie gegen alle Gesetze des neuen deutschen Reiches verstoße, ausnahmsweise gestatte, eine Entscheidung, wahrscheinlich ebenso unwillig und unehrlich gegeben wie die Unterzeichnung des Vertrages mit Stalin und Molotow. So brach dieser schwarze Tag für das nationalsozialistische Deutschland heran, daß noch einmal eine Oper aufgeführt wurde, wo der geächtete Name Stefan Zweig auf allen Anschlagzetteln paradierte. Ich wohnte selbstverständlich der Aufführung nicht bei, da ich wußte, daß der Zuschauerraum von braunen Uniformen strotzen würde und sogar Hitler selbst zu einer der Aufführungen erwartet wurde. Die Oper errang einen sehr großen Erfolg und ich muß zu Ehren der Musikkritiker feststellen, daß neun Zehntel von ihnen die gute Gelegenheit begeistert nutzten, noch einmal, zum letztenmal ihren inneren Widerstand gegen den Rassenstandpunkt zeigen zu dürfen, indem sie die denkbar freundlichsten Worte über mein Libretto sagten. Sämtliche deutschen Theater, Berlin, Hamburg, Frankfurt, München, kündigten sofort die Aufführung der Oper für die nächste Spielzeit an. Plötzlich, nach der zweiten Vorstellung, kam ein Blitz aus den hohen Himmeln. Alles wurde abgesagt, die Oper über Nacht für Dresden und ganz Deutschland verboten. Und noch mehr: man las erstaunt, daß Richard Strauss seine Demission als Präsident der Reichsmusikkammer eingereicht habe. Jeder wußte, daß etwas Besonderes geschehen sein mußte. Aber es dauerte noch einige Zeit, ehe ich die ganze Wahrheit erfuhr. Strauss hatte wieder einmal einen Brief an mich geschrieben, in dem er mich drängte, doch bald an das Libretto einer neuen Oper zu gehen, und in dem er sich mit allzu großer Freimütigkeit über seine persönliche Einstellung äußerte. Dieser Brief war der Gestapo in die Hände gefallen. Er wurde Strauss vorgelegt, der daraufhin sofort seine Demission geben mußte, und die Oper wurde verboten. Sie ist in deutscher Sprache nur in der freien Schweiz und in Prag in Szene gegangen, später noch italienisch in der Mailänder Scala mit dem besonderen Einverständnis Mussolinis, der sich damals dem Rassenstandpunkt noch nicht unterworfen hatte. Das deutsche Volk aber hat nie mehr einen Ton aus dieser teilweise bezaubernden Altersoper seines größten lebenden Musikers hören dürfen. Während sich diese Angelegenheit unter ziemlichem Getöse vollzog, lebte ich im Ausland, denn ich spürte, daß die Unruhe in Österreich mir ruhige Arbeit unmöglich machte. Mein Haus in Salzburg lag so nahe der Grenze, daß ich mit freiem Auge den Berchtesgadener Berg sehen konnte, auf dem Adolf Hitlers Haus stand, eine wenig erfreuliche und sehr beunruhigende 276
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Die Welt von Gestern Erinnerungen eines Europäers
Title
Die Welt von Gestern
Subtitle
Erinnerungen eines Europäers
Author
Stefan Zweig
Date
1942
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
320
Keywords
Biographie, Litertaur, Schriftsteller
Category
Biographien

Table of contents

  1. Vorwort 5
  2. Die Welt der Sicherheit 10
  3. Die Schule im vorigen Jahrhundert 29
  4. Eros Matutinus 56
  5. Universitas vitae 74
  6. Paris, die Stadt der ewigen Jugend 98
  7. Umwege auf dem Wege zu mir selbst 122
  8. Über Europa hinaus 135
  9. Glanz und Schatten über Europa 145
  10. Die ersten Stunden des Krieges von 1914 160
  11. Der Kampf um die geistige Brüderschaft 177
  12. Im Herzen Europas 189
  13. Heimkehr nach Österreich 208
  14. Wieder in der Welt 224
  15. Sonnenuntergang 240
  16. Incipit Hitler 263
  17. Die Agonie des Friedens 286
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