Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten - Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
Seite - 70 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 70 - in Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten - Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge

Bild der Seite - 70 -

Bild der Seite - 70 - in Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten - Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge

Text der Seite - 70 -

70 Die Rückfahrt erfolgte auf ähnliche Weise und auf derselben Route, doch war man froh, wenn man mit etwas Essbarem im Rucksack, angestaubt und zer- rüttet von den holprigen Straßen, wieder heil in der Nähe des Westbahnhofs angekommen war. Unser Haustor war wegen des durch die Bombenangriffe ausgelösten Luft- drucks zum Großteil zertrümmert, sodass es weder auf- noch zugesperrt werden konnte. So musste über Tag ein Schließdienst eingerichtet werden, zu dem alle Hausparteien im Stundenrhythmus eingeteilt wurden. Dies funktio- nierte weitgehend und in der Nacht wurde die Haustür, soweit dies ging, ver- barrikadiert. Da es noch ein Hinterhaus gab, war das Problem damit noch nicht vollkommen gelöst. So organisierten einige Männer des Hauses – mein Vater war auch dabei – die Bordwände eines zerstörten Lkws, zerschnitten diese auf die Flurbreite und errichteten zwischen zwei etwas vorspringenden Pfei- lern eine etwa einen Meter breite Doppelwand, die mit einem starken Lichtka- bel, das wir „organisiert“ hatten, verspannt wurde. Den Zwischenraum füllten wir mit einfachen Mauerziegeln, die wir von einem naheliegenden zerbombten Haus ebenfalls „organisiert“ hatten, und auf diese Weise entstand eine solide Trennwand. Sie war für uns über Monate sehr hilfreich. Selbstverständlich war auch unsere Wohnung oft das Ziel eines „Besuches“ von Soldaten. Da wir schon von weitem den Lärm der genagelten Stiefel im Stiegenhaus hörten, öffneten wir gleich bereitwillig die feste Eingangstüre. So blieb die Tür verschont, nicht aber wir. An ein Erlebnis kann ich mich noch besonders gut erinnern: Der Soldat war leicht betrunken und brachte eine volle Flasche Schnaps mit, vermutlich Sli- wowitz, die er „organisiert“ hatte. Er lud uns alle auf einen Umtrunk ein. Wir mussten gute Miene zu diesem Spiel machen, mein Vater bekam gleich ein Wasserglas zur Hälfte angefüllt und sollte es austrinken. So gut er konnte, unterzog er sich dieser Aufgabe. Der Soldat blickte sich in der Wohnung etwas um, entdeckte keinen deutschen Soldaten und auch sonst kein Objekt seiner Begierde. Uns Kindern wollte er dann zeigen, wie ein Gewehr funktionierte. Er entsicherte das Gewehr und schoss, wenige Meter von uns entfernt, ein scharfes Geschoß in den Plafond. Der Knall war in dem geschlossenen Zimmer ohrenbetäubend und wir brachen in lautes Weinen aus. Auch meine Eltern wa- ren dem Schock nahe. Der Soldat dürfte unsere Bestürzung gesehen haben und verließ dann sehr rasch unsere Wohnung.
zurück zum  Buch Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten - Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge"
Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
Titel
Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten
Untertitel
Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
Autor
Othmar Nestroy
Herausgeber
Technischen Universität Graz
Verlag
Verlag der Technischen Universität Graz
Ort
Graz
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-85125-741-0
Abmessungen
20.0 x 25.0 cm
Seiten
120
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einstimmung 8
  2. Einleitung 11
  3. Politische Propaganda 13
  4. Spiel und Sport 19
  5. Der Krieg wird spürbar 23
  6. Die großen Wendepunkte: Der Fall von Stalingrad und von Monte Cassino, die Landung in der Normandie und das Hitler-Attentat 29
  7. Privater und öffentlicher Verkehr 32
  8. Die ersten Bomben fallen auf die Innenstadt 41
  9. Der totale Krieg beginnt 47
  10. Die Front rückt näher 57
  11. Die Soldaten der Roten Armee erobern Wien 61
  12. Das Leben normalisiert sich und der Wiederaufbau beginnt 75
  13. Das lange Warten auf den Staatsvertrag 89
  14. Nachklang 93
  15. Persönliche Schicksale am Rande des Krieges 97
  16. Ausklang 115
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten