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Tagebuch 1923
Die Aufzeichnungen Erica Tietze-Conrats setzen mitten im Satz abrupt ein. Sie begin-
nen mit dem Tag der Abreise ETCs aus dem Feriendomizil im salzburgischen Lofer. Ihre
drei Kinder Anderl, Burgl und Vroni bleiben in Erwartung des ältesten Tietze-Sohns
Christoph (Stoffel) mit der Haushälterin Therese für die restlichen Sommerferien in Lofer
zurück. Zum Ausklang ihres Ferienaufenthalts widmet ETC ihrem 8-jährigen Anderl ein
Gedicht.
(Forts. 17.VI.1923)1
sehr wohlgefühlt. Viel herumgeklettert, die ersten Bärentatzen gefunden, auch sel-
tene Blumen, die niemand im Ort benamsen* konnte, bis Vroni endlich den Lehrer
auftrieb. Aus diesem Erlebnis für Anderl ein Gedicht gemacht.
Ich hab in den Bergen gefunden
Almrausch und Akeley
Und noch eine duftende Blume
und wußte nicht, welche es sei.
Ich mußte arg um sie klettern,
Ließ sie um keinen Preis
–
Die Blätter waren hellgrün,
Die Blüten waren weiß.
Ich forschte nach ihrem Namen
Doch hat mir ein jeder gesagt
Und mit dem Kopfe geschüttelt :
„Da bin ich überfragt.
Der Lehrer, der weiß alles,
Der gibt dir Auskunft gern.“
Er hat mir den Namen verraten :
„Das ist ein Millistern !
Doch hüte dich vor der Blume,
Findst du sie auf hoher Trift,
Sie lockt dich mit ihrem Dufte,
Doch drinnen ist böses Gift.“
* benennen Abb. 1: Arbeitsteilung im Tietze’schen Haushalt: Gelehrte blickt aus
ihrem Arbeitszimmer auf Kind und Haushälterin, um 1912.
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
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- Titel
- Erica Tietze-Conrat
- Untertitel
- Tagebücher
- Band
- I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
- Herausgeber
- Alexandra Caruso
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 458
- Kategorie
- Biographien