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Tagebuch 1923
sunde Frau. Dann, im Barockmuseum, wo ich Felix u. Hertha und Stoffel führte, und
mir Grimschitz die ersten Korrekturen im Barockkatalog zeigte. Ach ist dieses Mu-
seum schön ! Bei Nebehay Thee getrunken u. wegen der Chodowieckisammlung von
Frau Oppenheimer vorverhandelt. Dann bei Steiners in Hietzing soupiert. Sehr ge-
mütlich, Rosen, Erdbeeren und Ribisel* aus dem Garten. Ihr neues Bild [„]die beiden
Damen vom hilfswissenschaftlichen Institut[“] ist wirklich famos, ebenso frisch auch
eine neue, technisch sehr amüsante Radierung „der Geigenspieler“. Am Rückweg
langes Gespräch mit Stoffel über Hackenkreuzler und Sozi. Er für jene, ich – in d.
Theorie wenigstens
– für diese (eigentlich gegen beide).6
20. Juni 1923
Heut bin ich 40 Jahre alt geworden. Ich hab im Garten Rosen geschnitten u. mich
dabei jung gefühlt, als wär ich 14 und schnitte die Rosen im Dornbacher Garten.
Hans hat mir eine wundervolle Entwurfszeichnung von Boeckl, gemeistert wie ein
Slevogt nur wunderbar jung dazu, geschenkt und ein liebes Bildl von Zülow. Die
Mappe von Philippi ist erschienen, der Name vom Hans so groß darauf, als wären
die Holzschnitte von ihm. Die Breslauer Kinder können nicht nach Lofer wegen des
Marksturzes. Wir haben Heinz eingeladen, als Gast zu kommen.7
21.VI.
Früh bei der Ausstellung der Konkurrenz eines Denkmals für „Auslandshilfe“. Schon
neugierig auf den I. Preis (Archit[ekt] Lichtblau, Bildh[auer] C. Hagenauer), da wü-
tende Aufregung darüber in der Presse (Archit[ekt] Bauer u. Seligmann). Sehr inte-
ressantes Projekt für gotisierendes Denkmal (Pfeiler, am Fuß Zusammenbrechender,
wie ein Christus am Kreuzstamm) in der Fassade der Kapuzinerkirche. Bärtige Män-
ner oben „Da soll unsereins noch einmal konkurrieren, wenn solche Franzischkerl**
praemiert werden !“ Das meiste übrige im üblichen Denkmalstil, Vindobonas mit
schönen Frisuren etc. Der dritte Preis ein Brunnen, wirklich nur ein Brunnen, sehr
interessant. Das ganze nur eine Konkurrenz, nicht zur Ausführung bestimmt.8
Albertina dann : Marchand, Derain, Segonzacausstellung, die Buschbeck mitge-
bracht hat : Manches sehr schön, alles gut. Sehr gut auch ein Kopf von Kars. Die
Blätter von Bellange noch immer nicht gefunden. Also wenig in den 5 Wochen mei-
ner Abwesenheit verändert. Dann Museum. Den neu zu erwerbenden Bosch konnte
ich nur kurz anschauen (Kreuztragung) da der eben angekommene Glück davor
stand. Gegen das neu gehängte Altdorferkabinett hab ich einige Einwände. Gerade
dabei, wie das Kabinett für den Duccio für die morgige Kommission hergerichtet
wurde. Der Duccio stark u. schön wie als ich ihn zuerst (in Florenz) sah ; die sienesi-
* rote Johannisbeere
** katholischer Frömmler
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
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- Titel
- Erica Tietze-Conrat
- Untertitel
- Tagebücher
- Band
- I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
- Herausgeber
- Alexandra Caruso
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 458
- Kategorie
- Biographien