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Tagebuch 1923
Das kränkt mich so.
Drum kann ichs nicht lassen
Geh ich durch die Gassen
Mit dem Schirm zu tasten
Vor mich her
–
Drin der Kasten,
Ach mein schöner Wäschekasten
Mit den rotseidenen Bändern,
Ist leer.
Das Weiße hier
Wenn es raschelt ist’s Papier
Ich seh mich um
–
Vielleicht raschelt es nicht,
Vielleicht bleibt es stumm.
Ich such, ich such
Ein Taschentuch, ach ein Tuch
–
Und dann zur Funke die Zeichnungen von Maja angeschaut ; alle nicht sehr gut, we-
der besonders ähnlich, noch seherisch. Aber eine der zwei gut gezeichnet. Mir war’s
peinlich, aber ich hab’s ihr doch gesagt. Blieb dann länger, um sie wieder heiter zu
bekommen. Der Fehler unsererseits. Maja nicht das richtige Modell für sie. Sie war
wieder nach Indien gereist, hat einige Aquarelle davon mitgebracht. Ich mußte mir
Indien ansehen, auf die Heizung steigen, dann zum Fenster hinaus, in der Regen-
rinne stehen, vier kleine Töpfe mit Kaktussen drinnen ! Sie hatte nasse Augen, als ich
mich nach ihr umsah. In der Elektrischen wieder gedichtet.18
Adele Zorn heißt meine Madame,
(So nennt man bei uns die Hebamme).
Sie arbeitet sonst nur bei Aristokraten.
Unter einem Baron
Ist ihr noch keiner ans Licht geraten
Gar nicht von Adel
Ist mein Mann.
Wir strengen uns halt mit dem Trinkgeld an.
Ich schenke ihr noch dazu
Ein Paar gestrickte Schuh.
Sie hat bisweilen über Kälte geklagt
Über Kälte in den Füßen
–
Mir fehlte der Mut
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
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- Titel
- Erica Tietze-Conrat
- Untertitel
- Tagebücher
- Band
- I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
- Herausgeber
- Alexandra Caruso
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 458
- Kategorie
- Biographien