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Tagebuch 1923
noch Gespräch mit Hohenauer (Präsidialist*), der noch einmal den Versuch machen
wollte, überzeugt von d. Wichtigkeit der Angelegenheit. Hans zu Hohenauer : „Se-
hen Sie, ich war doch der bessere Psychologiker, es ist nicht zu dieser Unterredung
gekommen.“ Hohenauer : „Warten Sie noch einen Augenblick, ich will es doch noch
versuchen.“ Nach 5 Minuten telephoniert Hohenauer an Hans : „Der Minister läßt
sagen, daß es ihm leider mit der Zeit nicht ausgeht und er den Herrn Hofrat bit-
ten läßt, den österr[eichischen] Staat nach bestem Wissen u. Gewissen zu vertreten.“
Hans : „Ich lasse dem Herrn Minister bestens danken, wenn er es mir nicht gesagt
hätte, so hätte ich das gar nicht gewußt.“ Gestern fand ich noch einen Brief von Dr.
Robert Friedmann vor, er will also doch jetzt meinen Tobias komponieren u. bittet
um das Manuskript.
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Hans ist fortgefahren ; wir haben ihn alle fünf zur Elektrischen begleitet nach ei-
nem so friedlichen Mittagessen, bei dem wir den Kindern allen ihren Willen ließen.
Jetzt nimmt mich die ganze Melancholie der Einsamkeit gefangen, trotzdem ich bei
den Kindern sitze
…
29.X.1923
Gestern hat noch Zimmermann teleph[oniert], der zu einer Auktion nach Wien ge-
kommen ist – er wird wohl morgen herauskommen. Ehrlich ist zu seiner Schwester
aufs Land hinaus gefahren, will die letzten schönen Tage zum Landschaftern aus-
nützen. Ich stelle mir Wöllersdorf wunderbar flach vor. Hab dem Hans einen langen
Brief geschrieben. Ich habe mich teleph[onisch] für heute Abend nach dem Vortrag
bei Dr. Friedmann angesagt, unter dem Vorwand, daß ich ihm d. Manuskript bringen
will – eigentlich möcht ich aber Musik hören. Ich will ihn bitten, daß er mir etwas
aus der eben fertig gewordenen Oper : Von einem der auszog das Gruseln zu lernen
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vorspielen soll.112
30.X.1923
Gestern der Vortrag in der Urania, ganz ausverkauft, sehr gut gesprochen. Nachher
Sandor Wolf u. Schwester gesprochen, die mich zur Mutter mitnehmen wollten.
Ging aber nachtmahlessend über den Ring zu Friedmann der mir 2 Bilder aus seiner
Märchenoper vorspielte. Hab keinen Eindruck davon getragen u. bin überzeugt, daß
er meinem Stoff nicht gewachsen ist. Heut früh erst Nebehay wegen des Everdingen
fragen, der richtig noch nicht verkauft ist, was ich sodann gleich Frau Pick in der Al-
bertina (Führung Zeichnung XVIII.) weitergab. Unsre in Paris gekauften Zeichnun-
gen sind anvisiert, dürften Freitag ankommen, Stix reist an diesem Tage auf c[irca]
14 Tage nach Italien ungeschickt, weil Halle, der immer schon danach fragt, so lange
warten muß. Dann zu Mama, wo mich Zimmermann anrief, daß er morgen mit der
* Ministerialbeamter
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
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- Titel
- Erica Tietze-Conrat
- Untertitel
- Tagebücher
- Band
- I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
- Herausgeber
- Alexandra Caruso
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 458
- Kategorie
- Biographien