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Tagebuch 1923
mit d. Verwertung d. Hofburg einverstanden, der Doubletten etc. Hans deutete an,
wie er sich die Vereinfachung d. musealen Verwaltung vorstellte, Zim[mermann]
sagte, er würde dem Minister einen Brief schreiben (natürl[ich] ohne Hans oder d.
Broschüre zu nennen), in dem er ihn ersuche, Vorschläge betreffs einer vereinfachten
Verwaltung der wissenschaftl[ichen] etc. Institute zu machen. Nun bleibt noch die
Frage offen : Wird der Minister diesen Brief als Akt behandeln ? Und wenn ja, wird
Prüger ihn allein beantworten ?, entweder alles ist ohnedies großartig oder sachlich
auf Grund des kurzen Elaborates, das Hans dem Prüger vor c[irca] 10 Monaten ge-
geben hat
– oder wird Hans als Referent ihn zur Beantwortung bekommen
…126
In der österr[eichischen] Volkszeitung war ein langes Feuilleton über die Broschüre
vom Hans, vorn Trara u. hinten Trara u. dazwischen fünf Spalten Exzerpt aus d. Bro-
schüre. Stoffel liest es u. sagt zum Hans : „Das ist doch unerhört, alle deine Phrasen
schreibt er einfach ab !“ Ich sag zum Hans : „Diesmal geht es gegen dich nicht nur
immer gegen mich
…“ Wir haben so gelacht über d. Buben.127
Das mit d. Theaterausstellung soll wirkl[ich] perfekt werden, die Stadt Wien will
mittun, Hans spricht darüber nächste Woche mit Bach. Wenn dann wirklich ein
Stück von mir aufgeführt werden könnte ! Ich spreche darüber mit Hans. Er sagt :
„Nein, wenn es von d. Gesellsch[aft] ausgeht, kann ich es nicht zugeben.“ Ich zu ihm :
„So wirst du eben aus der Gesellsch[aft] austreten
– mir zuliebe
…“128
Heute vormittag bin ich zuhaus u. habe mich für meinen heutigen Vortrag mit
Rembrandt beschäftigt, bin dann ein wenig ins Bibellesen gekommen (Simson). Frau
Ruault-Frappart möchte mit mir eine Kunstgeschichtestunde verabreden.129
10.XI.1923
Von vorgestern abends an : da ging ich nach Halles, wo ich für meine Bemühungen in
Paris eine schöne Tasche u. für die Stunden d. doppelte Honorar bekam (200.000 pro
Stunde) zu G.
E. mich ausruhen. Es war sogar warm, ich schwieg mich sehr vergnügt
aus u. er zeichnete mich. Er war sehr verstimmt. Erstens gelingt ihm jetzt überhaupt
nichts, zweitens der Besteller des Portraits von dem kleinen Buben war da gewesen u.
es hatte ihm keine der Zeichnungen gefallen. Das Aquarell sei gut aber nicht ähnlich.
„Und wissen Sie, das ist ein junger, sehr feiner Architekt und versteht etwas“
– schloß
er bekümmert. Nach 9 Uhr bei Kiesler im Atelier große Assemblé von Ingenieuren,
Dichtern, Künstlern, Kunsthistorikern (u. a. Dolbin, Ermers, Fannina Halle, Csokor,
ein schreckl[icher] Schauspieler u. Jude Rodenberg), immer wieder durch Zwischen-
rufe u. Diskussionen unterbrochener Vortrag von dem Berliner Maler Richter, der als
Vertreter der (unrichtig benannten) Konstruktionisten (Oud in R’dam) auftrat. Erst
um 3h Früh im Bett. Sehr vergnügt.
–130
Gestern vormittag dann mit Vroni bei Ehrlich, der mich das Bild sehen ließ. Viel
besser als d. Tänzerin, aber noch immer nicht so gut wie mein Bild. Schön im Aus-
druck, nur fehlt mir d. Transparente der Haut. Mir kommt auch die Farbenharmonie,
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
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- Titel
- Erica Tietze-Conrat
- Untertitel
- Tagebücher
- Band
- I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
- Herausgeber
- Alexandra Caruso
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 458
- Kategorie
- Biographien