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Erica Tietze-Conrat - Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
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193 Tagebuch 1924 an. Ich bin am Fenster gestanden u. war sehr froh. Weniger beim Abstieg von der Station Breitenstein hinunter ins Offizierskurhaus, denn es war beängstigend glatt. Der Hausdiener, der mich mit der Rodel abholte, lud mich ein per Rodel einzufahren, ich traute mich aber nicht. Im Kurhaus begrüßte mich der Kommandant, Oberstleut- nant Hönig, nahm mit mir in d. Kanzlei d. Protokoll auf und geleitete mich dann, da die Liesl nicht zu finden war, in mein Zimmer im 4. Stock. Die Tasche u. den Ruck- sack mußte ich mir alleine tragen. Ich sehe ja ein, daß es schwer für einen Oberstleut- nant ist, Hôtelleiter zu werden, aber darum wird es nicht besser, wenn er einer Dame, noch dazu einer älteren Dame, das Gepäck nicht tragen hilft. Mein Zimmer gegen Norden u. gegen d. Eisenbahn, es ist momentan kein Südzimmer frei. Der Hausdie- ner bringt feuchtes Holz in mein Zimmer, das Feuer geht gleich aus. Ich schreibe bis ½  7, trotz Kälte u. Verzweiflung, bring es nicht über mich zu läuten. Ich hab gut gearbeitet, davon bekomme ich den Mut zu läuten. Ein dickes Mädchen kommt, ich verehre ihr 10.000 K[ronen] Trinkgeld, davon bekomme ich noch mehr Mut  – u. auf diese Weise ein neues Feuer. Ich war aber schon sehr verzweifelt, weiß Gott ja. Das Essen sagt mir wenig zu. Ich bin ja so furchtbar empfindlich u. hab zuhause doch immer die Möglichkeit auf meinen Magen zu schauen.9 19.I.1924 Ich glaube, ich bin schon lange Jahre nicht so unglücklich gewesen wie hier in diesem Breitenstein. In der Nacht endlich warm gehabt, da ich es gestern weder durch Trink- gelder noch durch Schimpfen zu einem geheizten Zimmer brachte. Bis gegen 4 gut ge- schlafen. Da kommt punkt vier der Kaminfeger u. natürlich geht der Rauchfang rechts direkt an meinem Zimmer vorbei. Dann gegen Morgen schlafe ich ein. Werde geweckt, da sich die gesamte Dorfjugend, laut zwitschernd unter meinem Fenster versammelt. Was ist los ? Meine Neugier wird sofort befriedigt. Eine Sägemaschine tritt in Funktion, qualvoller Lärm, setzt nicht mehr aus bis 4 Uhr nachmittag. Ich steh auf und mache einen Spaziergang Richtung Orthof. Einen Kilometer weit hört man noch die Säge, dann wird es heilig still. Nach Tisch versuche ich es mit Ohropax mich etwas nach- schlafen zu legen. Kaum schlafe ich ein, wird an meine Türe geklopft u. der Hausdiener mit dem Kaminfeger wollen meinen Ofen untersuchen. Er ist tadellos, aber mit nassem Holz kann niemand heizen. Ich fange zu schreiben an u. es geht sehr gut. Es wird fins- ter u. das Licht, das um 10 Uhr abends abgedreht wird, ist noch nicht wieder einge- schaltet worden. Ich muß zwanzig Minuten auf das Licht warten. Inzwischen läute ich sieben mal, ohne daß jemand kommt. Ich will mir eine Kerze kaufen und heizen lassen. Der Hausdiener hat mir trockenes Holz zugesagt, und ist nicht gekommen. Endlich wird es Licht und ich schreibe in der Kälte bis ½  8. Jetzt bin ich nach dem Nachtmahl, das ich zur Hälfte stehen lassen mußte, da es für mich zu schwer verdaulich war. Wenn ich aber morgen die Energie aufbringe, irgendwo  – aber wo ?  – Holz zu kaufen. Sonst kann ich nicht länger bleiben. Und das alles des leidigen Geldes wegen.  –
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Erica Tietze-Conrat Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
Titel
Erica Tietze-Conrat
Untertitel
Tagebücher
Band
I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Herausgeber
Alexandra Caruso
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79545-2
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
458
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Danksagung 9
  2. Alexandra Caruso : Zur Edition 11
  3. Edward Timms : Zum Geleit
  4. Die Aufzeichnungen einer „tiefverzweigten“ Frau 17
  5. Alexandra Caruso : „Der Wiener Vasari“ 21
  6. Tagebuch 1923 30
  7. Tagebuch 1924 186
  8. Tagebuch 1925 308
  9. Tagebuch 1926 384
  10. Alexandra Caruso : Zur Spanienreise 387
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