Seite - 197 - in Erica Tietze-Conrat - Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Bild der Seite - 197 -
Text der Seite - 197 -
197
Tagebuch 1924
hier geschrieben habe. Heute bin ich, da ich ein großes Ruhebedürfnis habe, im Bett
geblieben. Den ganzen Tag
…11
Vormittag war die Vroni bei mir u. am Nachmittag der Anderl. Ich lese gelegent-
lich [ein] paar Zeilen von Balzac, meistens aber liege ich im Schlaf oder Halbschlaf,
immer aber noch in Träumen.
–
Ich bin neugierig, wie sich Ehrlich oben zurechtfindet. Ich habe ihm Geld dortge-
lassen, aber es war mir nur wenig über geblieben
– er hatte sich keines aus Wien mit-
genommen u. erst durch einen Brief, den ich gestern hier aufgab, eines nachbestellt.
Wer weiß, wann es kommt.
27.I.1924
Freitag vormittag (25.) mit einigem Genuß in der Akademie gewesen. Bei Alma, die
uns für den 4. abends eingeladen hat. Den ganzen Nachmittag in ganz zarter, ge-
brechlicher Stimmung. Abends mit der Endzeile eines Gedichtes gespielt. Samstag
hat Ehrlich angerufen ; er ist wieder zurück, hat nichts gemalt, aber geschaut und
Bewußtsein umgestellt ; darum war der Ausflug doch gut für ihn gewesen. Ich bin erst
nach Tisch in die Stadt und habe in der Elektrischen geschrieben :
In frühe Dämmer war
Der Raum
Verhangen
–
Die Frauen
Heben ihre grauen
Schleier
Und tauchen
In den Traum
–
Und Seufzer hauchen
In versunknen Ecken
Und wecken
Hilfloses Blut in fahle
Wangen
–
Und auf den warmen Polstern
atmet noch das Haar
Zu nacht
Befangen
–
Seerosen auf dem Weiher
–
–
–
Da
– leise
– an die Schale
Pocht das Wunder das erwacht
Aus Licht
–
Die scheuen Hände decken’s zu
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
- Titel
- Erica Tietze-Conrat
- Untertitel
- Tagebücher
- Band
- I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
- Herausgeber
- Alexandra Caruso
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 458
- Kategorie
- Biographien