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Tagebuch 1924
(wegen meines Operettenstoffes aus d. Zeit Leop[old] I. ) absagen müssen. Ein hal-
bes Jahr hab ich drauf gewartet. Und dann hab ich absagen müssen ! Ehrlich war
auf einen Sprung da, sich d. Landschaft, das Vronerl und die Zeichnungen abholen
müssen. Hat bei dieser Gelegenheit die meisten Zeichnungen, die er von mir in Pa-
yerbach bez[iehungsweise] Breitenstein gemacht hat, zerrissen u. in d. Ofen gesteckt.
Mir klingt der Riß noch jetzt im Ohr. Ich hab den ganzen Tag apathisch dagelegen.
Kaum ein Viertel Stündchen ein Buch das mir Floch geborgt hat (Karl Albert Stef-
fen, Kleine Mythen) gelesen. Aber das ist ein entzückendes Buch. Abends mit den
Buben zusammen. Sogar mit Stoffel gedichtet. Fürchterlich.62
25.III.
Feiertag, den Sonntag u. gestern vorm[ittag] hab ich den Saul weiter –, d. h. das 3.
Kapitel zuende gemacht. Ich fürchte aber, es ist recht geflickt. Gestern meinen u.
Hans’ Paß zum Verlängern getragen. Nach Tisch bei Ehrlich, die Sachen zur „Schau“
ausgesucht ; nach meiner Meinung viel zu viele sachliche Stunden. Dann Abend-
schuh kaufen, die ersten seit 1911 ! Habe ich nur das Herz für Del-Ka gehabt u.
dazu noch 3 paar Strümpfe gekauft. Im Sanatorium Löw Frau Dr. Kurth besucht,
die Enzephalitis (?) des Gatten scheint doch besser zu werden. Abends mit Hans
bei Buschbecks ; sehr stiller gemütlicher Abend. Es scheint ihnen auch sehr schwer
zusammenzugehen.63
30.III.
Viele Tage Pause. Ursache : Viel zu tun u. arg verkühlt ; vor allem im Kopf. Am Fei-
ertag noch den Saul III. Kap[itel] etwas anders schließen lassen. Trotzdem Flickerei.
Nachmittag mein Manuskript von Eidlitz abgeholt u. ein wirklich inniges Bild von
Floch gesehen (1921), das sein Hochzeitsgeschenk war. Am Mittwoch hab ich erst
ein Rendez-vous mit Halle bei Würthle gehabt u. viele Radierungen, Zeichnungen
u. die Landschaft (meine Landschaft, an die ich mich so gewöhnt hatte) ihm aus der
Ehrlichschau pränummerieren zugeschaut. Dann Nachmittag lange in d. Albertina
(Franzosengraph[ik]) gearbeitet. Hans war schon stark vergrippt. Viel stärker noch
am Donnerstag. Die Beteiligung an d. Ehrlichschau war fast null. Für die Alber-
tina hab ich 2 Zeichn[ungen], die sich Reichel ausgesucht hatte, vertreten (Alte Frau,
Asta Nielsen) ; für Halle auch ich ; Frau Dr. Menczel hat mich teleph[onisch] ersucht,
für sie auszusuchen ; ich tat es : 3 Zeichnungen u. viel Graphik. Rathe nahm für d.
Gesell[schaft] inzw[ischen] nur Zeichnungen, die er aber vielleicht durch ein Bild bei
d. nächsten Schau ersetzen wird. Steinitz, der wie die andern Finanzleute, ganz ver-
zweifelt ist, nahm 2 Graphiken u. ging wieder, noch bevor d. Besprechung begann.
Nebehay verreist, Gartenberg verschollen, Dr. Heller – ist die Frau krank, Dr. Frankl
schon seit einer Woche krank
– kurz lauter Malheur. Wir haben auch nichts verkauft.
Die beiden Blätter, die mich gefreut hätten (liegende Gerda Müller, Asta Nielsen)
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
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- Titel
- Erica Tietze-Conrat
- Untertitel
- Tagebücher
- Band
- I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
- Herausgeber
- Alexandra Caruso
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 458
- Kategorie
- Biographien