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Tagebuch 1925
13.I.1925
Am Sonntag war Nirenstein (mit Frau) da, die von Ehrlichs Zeichnungen u. Bildern
so entzückt waren, daß er sich an dem Fonds (1,000.000) beteiligt. Er will ihn über-
haupt kunsthändlerisch machen u. ich war heut bei ihm, einen Kontrakt aufsetzen,
den Ehrlich Donnerstag unterschreiben soll. Auch Nebehay tut mit, sodaß Ehrlich
sich heuer sogar bisserl höher steht als im vergangenen Jahr (3,250.000 im Monat).
Eine halbe Million bekommt er nicht in die Hand, sondern ich, um Rechnungen
zu zahlen, bez[iehungsweise] einen Sommeraufenthalt möglich zu machen. Es war
mir sehr schwer, den Eifer Nirensteins einzudämmen (er hätte ihn am liebsten allein
ohne d. „Konsortium“ gemacht), aber es wäre eine zu starke Belastung, Druck – für
Ehrlich gewesen
…
Der Minister hat d. Akt d. Albertina unterschrieben, jetzt kommt endlich ein bis-
serl Leben in d. S[am]ml[un]g, da sie ihre Kunsthändler zahlen können. Jetzt kann
Ehrlich nach Berlin fahren ! Freitag reist er, er hat schon seinen Paß.8
Das war gestern ein voll besetzter Tag, zwei Kurse, der zweite nur mit Hilfe von ei-
nem Belebungsmittel u. 2 Schalen Kaffee hinaufgepulvert. Dann mit Ehrlich bei Ni-
renstein, wo der Kontrakt (wirklich außerordentlich günstig für ihn) aufgesetzt wurde.
Vorher noch das Billet nach Berlin gekauft (495.000) und während des Wartens ein
Gedicht gemacht, das aber vielleicht nur die erste Strophe zu einem Gedicht ist.
Ich breite meine Arme aus,
Als gält es Mond und Sterne
Und alle Welt umfangen
–
Und möchte nur,
Du liebes Kind,
Und möchte nur so gerne
An deinen schmalen
Schultern hangen.
Das stille Mädchen mit dem Arm über der Brust, die G. E. als erstes dieser zar-
ten Bilder gemalt hat, kommt für die Zeit seiner Abwesenheit zu uns zu Besuch.
Wir haben sie noch gestern herausgebracht u. G[eorg] hat dem Hans u. den Kindern
Lebewohl gesagt. Mir auch, versteht sich. Hans hat die Aufforderung bekommen,
ein Heft mit 40 Abbildungen über Wiener Graphik d. Gegenwart (Zeichn[ungen] u.
Graph[ik]) zu machen, wofür die uns derzeit höchst willkommene Summe von 500
M[illionen] als Minimum zu bekommen ist. Das ist sehr sehr nett. Erstens überhaupt
und zweitens außerdem.9
17.I.
Gestern spät abends ist Therese gekommen ; der Mutter geht’s besser. Noch eine gute
Neuigkeit für unser Budget : Ab 1. IV. soll wieder die Kunstchronik funktionieren. 50
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
- Titel
- Erica Tietze-Conrat
- Untertitel
- Tagebücher
- Band
- I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
- Herausgeber
- Alexandra Caruso
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 458
- Kategorie
- Biographien