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Tagebuch 1925
MK [Millionen Kronen] Spesenersatz u. jeder Artikel separat honoriert. Bravo. Burgl
heute leicht fiebrig ; aber sicher nichts Schlimmes in Vorbereitung, sie singt und liest.
Meine Botticellipräparation langweilt mich sehr.10
23.[I.]
Ich hab tagelang nicht geschrieben. Am 17. war ich am Nachmittag bei Floch mir das
neue Bild (Portrait einer schönen Frau) anschauen, von dem mir Georg mit d. höchs-
ten Tönen gesprochen hat. Ich find es roh, langweilig, stellenweise noch hölzern –
aber ungeheuer „folgerichtig“. Mein Gott ja. Er hat mir alle Details d. Hagenbundes
erzählt u. von Frauen, die in ihn verliebt waren (mit Namen) und zwischendurch
recht alttestamentarisch über die miesen Zeiten gejammert. Sein Egozentrismus
langweilt mich tödlich. Sonst arbeitsreiche Tage. Die Angelegenheit mit d. Volksbil-
dungsamt ist abgemacht. 32 Vorträge in diesem Jahr. Den 2. (Botticelli) hab ich fertig,
am 3. arbeite ich gerade.11
An einem sonnigen (gestern) Tag, während d. Schreibens im kleinen Zimmer :
Was mich
So traurig
Macht :
Ach wenn
Die Sonne,
Die sichere Sonne,
Die Sonne im blauen Glück
–
Verdeckt wird
Von einer Wolke
…
Und wärs auch nur die kleinste Wolke
–
Und wärs auch nur für einen
Augenblick
–
Daß sie
–
Daß sie
–
Sich
–
Versteckt
–
So traurig
Macht es mich,
Als käm sie nie zurück
Für alle Ewigkeit
–
Nie
–
Zurück
–
Leid
Kann ich tragen,
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
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- Titel
- Erica Tietze-Conrat
- Untertitel
- Tagebücher
- Band
- I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
- Herausgeber
- Alexandra Caruso
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 458
- Kategorie
- Biographien