Seite - 344 - in Erica Tietze-Conrat - Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Bild der Seite - 344 -
Text der Seite - 344 -
344
Tagebuch 1925
Wir beide sind mitsammen alt geworden
–
Und, so Gott will, so endet
Auch die Reise für uns zugleich.
Das aber dank ich dir,
Du hast dich nie
Von mir gewendet,
Wenn ich auch krank
Und häßlich lag,
Du pflegtest mich und schöner galt
Ich dir sogar
Als wie an unserm Ehrentag.
Du hast Geduld und du bist gut
–
Ich bin es lang nicht so,
Mag vieles nicht
–
Das Haar um dein Gesicht
Ist braun, wie’s immer war,
–
Mir tut es in der Seele weh ;
Das Haar ist weiß an deiner Brust,
Wo ich allein es seh.
27.VIII.
Hans, dem ich das Gedicht gesagt habe, war entsetzt. Noch nie habe er etwas so sen-
timentales gefühlsduseliges gehört. G. E. ist gestern (26.) früh angekommen. Er war
am Abend einen Sprung bei uns. Georg Halle war abends da. Er will den Sohn nach
Palästina auswandern lassen.34
28.VIII.1925
Eine Erinnerung an den Spaziergang von Rohrbach nach Vorau. Eigentlich sollt es
heißen : „Wenn der Jud durchs Dorf geht“. Ich nenn’s aber lieber :
Wenn ich durchs Dorf geh
–
Wind bläht Tücher, die
Den Weg entlang
Zur Bleiche gespreitet sind.
Wäsche weht an der Leine.
Neben der Haustür die niedere Bank
–
Altersgrau
Stützen sie
Steine,
–
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
- Titel
- Erica Tietze-Conrat
- Untertitel
- Tagebücher
- Band
- I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
- Herausgeber
- Alexandra Caruso
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 458
- Kategorie
- Biographien