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Erica Tietze-Conrat - Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
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364 Tagebuch 1925 besuch seit langer langer Zeit. Schon die Art, wie sie sich hingesetzt haben : Burgl ganz vorn aufm Sprisserl, voll Neugierde den Kopf hinausgeschoben, Anderl ganz gemütlich zurückgelehnt, Vroni beide Arme auf d. Brüstung gelegt u. den Kopf drauf wie das Engerl von der Sixtin[ischen] Madonna. Am Anfang war Burgel unge- halten über die Musik, weil man so schlecht dadurch versteht, was sie sagen. Vroni (gewöhnt ins Marionettentheater zu gehen findet „Die Figuren sind schön.“ Burgl (wie die Mutter reuig weint, daß sie d. Kinder in d. Wald gejagt hat, beruhigt sich immer wieder) : „Heimlich lacht sie doch.“ Beim Hungerlied des Vaters sagt Vroni (Sänger sind halt doch immer dick) „Die sind alle so dick und reden immer vom Hunger.“ Vroni zeigt auf einen Herrn im Orchester : „Das ist der Herr Gonda.“ Während der Ouvertüre (in die wir verspätet hineinplatzten) sagt Burgel : „Gott sei Dank, daß es noch nicht angefangen hat.“ Während des Hexenliedes dreht sich Bur- gel neugierig um : „Was sagt sie ?“ Vroni nachdrücklich : „Sie singt nur.“ Burgel fragt, ob die Hexe auch kommen wird. Vro[ni :] „Natürlich, das ist ja die Hauptsache.“ Gretl singt : Ein Männlein sitzt im Walde,  – Vroni : „Das ist ein Rätsel  – das kann ich auch auswendig.“ Beim Kuckuckslied Vroni : „Die Menschen mit den Flöten machen Kuckuck. Ich bin draufgekommen.“ Burgel : „Siehst du das Hexenhaus ?“ Vroni : „Ich seh’s, ganz verdunstet.“ Wie die Englein zu den schlafenden Kindern niedersteigen, Burgel : „Der Jakob hat auch so einen Traum gehabt.“ Vroni : „Ein schöner Traum.“ Beim Engelreigen Anderl : „Das hab ich gern, wenn sie so tan- zen.“ Weil dann das Schlußtableau mit den Engeln ist : Burgel : „Vielleicht schaut die Hexe her.“ Beim Hexenhaus zeig ich der Vroni die Lebkuchenkinder. Vroni : „Nur das erste, wo sie schlecken, wird Lebkuchen sein, das andre ist Pappendeckel.“ Am Schluß sind alle sehr dagegen, daß sich die verbrannte Hexe vor dem Vorhang verneigt. „Das stört“, sagt Anderl.  –71 Nach d. Theater waren wir bei Berls, wo unter dem 5 m hohen Christbaum „aus den eigenen Forsten“ die Weihnachtsgeschenke der Familienmitglieder zur Schau gestellt sind. „Ei, wie schön das arrangiert ist, wer hat das denn gemacht ?“ frag ich  – um nach d. Antwort dann die Mutter oder eine d. Töchter bewundern zu können. „Ein Auslagenarrangeur“  – sagt der Herr Rat. Die Frau wiegt jetzt 39 kl ; sie sieht furchtbar aus. Die Stimmung ist schrecklich gedrückt. Alle warten, daß es läutet, daß der Diener einen Gast anmeldet, einen Gast der die Geschenke bewundern wird, ein Gast der vielleicht einmal um eine Tochter anhalten wird. Wir (Anderl u. ich  – die Mädeln hatte ich mit Therese heimgeschickt) wir blieben nicht lange. Beim Nach- hausefahren sagte ich zu Anderl : „Ein schöner Baum war das, gelt ?“ Anderl machte ein Schnoferl* : „Zu dicht.“ Wie wir gegen Döbling kamen, sagte Anderl : „Hier fängt man schon an, sich so auf zuhause zu freuen.“72 * Schmollmund
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Erica Tietze-Conrat Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
Titel
Erica Tietze-Conrat
Untertitel
Tagebücher
Band
I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Herausgeber
Alexandra Caruso
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79545-2
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
458
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Danksagung 9
  2. Alexandra Caruso : Zur Edition 11
  3. Edward Timms : Zum Geleit
  4. Die Aufzeichnungen einer „tiefverzweigten“ Frau 17
  5. Alexandra Caruso : „Der Wiener Vasari“ 21
  6. Tagebuch 1923 30
  7. Tagebuch 1924 186
  8. Tagebuch 1925 308
  9. Tagebuch 1926 384
  10. Alexandra Caruso : Zur Spanienreise 387
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