Seite - 376 - in Erica Tietze-Conrat - Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Bild der Seite - 376 -
Text der Seite - 376 -
376
Tagebuch 1925
42 Reise durch die Provinz Venetien, ca. 19.–29. September 1925 :
Wiener Neustadt (A) – Semmering – durch die Steiermark und Kärnten – Wörthersee – Tarvis
(I)
– Pontebba
– Stazione per la Carnia (Bahnstation)
– Tolmezzo
– Udine
– Conegliano
– Mon-
tebelluna
– Feltre
– Belluno
– Pieve di Cadore
– Calalzo (di Cadore)
– Villa Santina
– Passo della
Mauri.
Aufgrund eines chronischen Gelenkleidens war HT als für den Fronteinsatz untauglich
eingestuft worden. Die ersten drei Jahre seines Kriegsdienstes hatte er als Ausbildungs-
offizier in Wien abgeleistet (TB 1938/1, 18.3.). 1917 wurde er nach Udine in die Ver-
waltungssektion des Heeresgruppenkommandos der von Österreich besetzten Gebiete
Oberitaliens versetzt, wo er bis Kriegsende verblieb (Archiv des BDA, Wien, K. k. Staats-
denkmalamt, Präsidium, Z. 172, 17.7.1918). Gegen Ende des Krieges wurde HT, wie an-
dere Beamte des Staatsdenkmalamts in Wien auch, zur Organisierung einer sogenannten
„Kunstschutzgruppe“ in seinem Einsatzgebiet um die Stadt Udine herangezogen. Eine
kritische Beurteilung der Aktivitäten der österreichisch-ungarischen „militärischen Denk-
malpflege“ steht noch aus und kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden. Wie
schon bei der Arbeit zur österreichischen Kunsttopografie gehörte neben Bergung und
Sicherung auch die Beschreibung und inventarmäßige Erfassung von Baudenkmälern und
Kunstwerken zu den Aufgaben der Denkmalpfleger im Kriegseinsatz. HT selbst hat in den
von Paul Clemen (TB 1924, 12.6.) während und nach dem Weltkrieg herausgebrachten,
tendenziell propagandistischen Veröffentlichungen (die zahlreichen Abbildungen zeigen
ausschließlich die vom Gegner zerstörten Denkmäler) unter dem Titel „Österreichischer
Kunstschutz in Italien“ zu den Aktivitäten dieser Sondereinheit Stellung genommen.
Wohl zeigte sich HT auch in militärischen Fragen als loyaler Diener „seines“ Staates, seine
Ausführungen sind jedoch differenziert und oftmals von Resignation getragen. Offenkun-
dig ist, dass HTs Einsatz von jenem zweischneidigen universalistischen Gedanken geprägt
war, italienisches „Kunstgut“ gehöre „zum ehrwürdigen Erbe der ganzen Kulturmensch-
heit“, wobei die allgemeine Überzeugung einer „Überlegenheit Italiens“ im Bereich der
bildenden Künste wiederum eine „stark gereizte Begehrlichkeit“ hervorgerufen habe …
(Tietze 1919b, 51 ; Archiv des BDA Wien, K. k. Staatsdenkmalamt, Denkmale in ge-
nere, Z. 126 Präsidium, 10.6.1918). Wie andere Kunsthistoriker im Kriegsdienst für den
Denkmalschutz hat HT aber auch mehrfach die Gelegenheit genutzt, um über die Kunst
in seinem Einsatzgebiet zu forschen und zu publizieren. „Auf dem Dachboden eines ver-
lassenen Hauses in Udine, in dem zu italienischer Zeit das Etappenkommando gewesen
ist, habe ich die Familienpapiere des Malers Giovanni da Udine gefunden. […] Das ganze
Material wurde in der Biblioteca Communale in Udine in Sicherheit gebracht.“ (Tietze
1918a, S. 273–277.)
43 Die hier gemachten geografischen Angaben sind nicht vollständig nachvollziehbar. Ver-
mutlich meinte ETC den Fluss Fella, der bei Stazione per la Carnia in den Tagliamento
mündet.
Der Tagliamento entspringt in den Venezianischen Alpen südlich des Mauria-Passes und
ist bis heute der einzige Alpenfluss, der fast auf der gesamten Länge naturbelassen ist (Lip-
pert 1995).
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
- Titel
- Erica Tietze-Conrat
- Untertitel
- Tagebücher
- Band
- I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
- Herausgeber
- Alexandra Caruso
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 458
- Kategorie
- Biographien