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Erica Tietze-Conrat - Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
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388 Zur Spanienreise Wald, ja unsere Bäume aber urwäldlich verdichtet, Granada sieht aus wie ein Stück Heimatboden, Traunfluß und Rosenburg“). Dank Kunstgeschichte und bürgerlicher Weltläufigkeit kommt man gut zurecht, solange es sich nur wirklich um Europa handelt („Bei Tag sah die Stadt nicht viel weniger uneuropäisch aus als bei Nacht. Der aufstrebende Ehrgeiz wechselt gut mit grenzenloser Primitivität“). Und nirgends scheint sich diese Weltläufigkeit besser zu bewähren als etwa in Toledo, wo man durch strikte Orientierung am Allgemeinen und Konventionellen möglichen Assoziationen zur eigenen Herkunftsgeschichte entgehen kann. Die immerhin bedeutenden Synagogen Toledos verflüchtigen sich im Gleichförmigen des alten Gesteins. Völlig auf verlorenem Posten ist man aber, wenn etwa beim Anblick der nasridischen Alhambra in Granada das eigene ästhetische Wertesystem außer Kraft gesetzt wird („Ich muß alle Vernunft zuhilfe nehmen, um über das einer ästhetischen Einstellung Entgegengerichtete dieses Stils hinwegzu- kommen“). Schließlich wird das Reisen selbst zum kreativen Akt („Jener erste und dieser letzte Ausflug auf den Tibidabo, das war ein guter Anfang u. ist ein guter Abschluß  – der Kreis schließt sich zur eindrucksvollen Insel. Es ist wie die gereimten Zeilen, die ich so gerne hab  – vorn der Klang in der oberen Zeile zum Klang am Ende in der letzten“). Beim Zeichnen kommt Erica Tietze-Conrat den Menschen näher  – oder diese ihr. Kunst braucht keine Worte. Im verspielten Umgang mit dem Alltäglichen  – Blumen, achtlos weggeworfene Eierschalen  – wird die sonstige Undurchdringlichkeit überwunden. Doch wer könnte sich schon frei von Vorurteilen nennen ? Dass auch Erica Tietze- Conrat gelegentlich an ihnen kränkelt, zeigt die ungewöhnlich drastische Ausdrucks- weise, zu der sie sich im Zusammenhang mit „Zigeunern“ beziehungsweise der „ein- fachen“ spanischen Bevölkerung (was nicht selten dasselbe ist) hinreißen lässt. Im Kontext mit dieser überall und gelegentlich auch nirgends heimischen Volksgruppe fällt immerhin viermal die diffamierende Bezeichnung „Affen“ („… an Balkongittern die Kinder wie die Affen klemmen“ usw.). Die Begegnung mit den spanischen „Gita- nos“ mag für Erica Tietze-Conrat in zweierlei Hinsicht beunruhigend gewesen sein. Zum einen wegen des  – sich zu allem Überfluss auch noch distanzlos gerierenden  – Unverständlichen und Fremden und andererseits wohl auch aufgrund möglicher Be- rührungen in einer Geschichte der Diffamierung und Ausgrenzung. Die „Zigeuner“ lagern schließlich auch buchstäblich am Ufer vis-à-vis („Am Rückweg an dem von Karl V. gegründeten Kanal entlang  – am anderen Ufer hatten Zigeuner ein Lager aufgeschlagen  …“). Mit ihrer Reise waren Tietzes in eine seit Jahrzehnten schwelende Debatte ein- getreten, die sich an der Frage entfacht hatte, welchem der beiden Künstler  – Veláz- quez oder El Greco  – die Vorrangstellung in der Kunst und die Rolle des Vorreiters für Impressionismus und Expressionismus einzuräumen wäre. Und während sich der
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Erica Tietze-Conrat Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
Titel
Erica Tietze-Conrat
Untertitel
Tagebücher
Band
I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Herausgeber
Alexandra Caruso
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79545-2
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
458
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Danksagung 9
  2. Alexandra Caruso : Zur Edition 11
  3. Edward Timms : Zum Geleit
  4. Die Aufzeichnungen einer „tiefverzweigten“ Frau 17
  5. Alexandra Caruso : „Der Wiener Vasari“ 21
  6. Tagebuch 1923 30
  7. Tagebuch 1924 186
  8. Tagebuch 1925 308
  9. Tagebuch 1926 384
  10. Alexandra Caruso : Zur Spanienreise 387
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