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Erica Tietze-Conrat - Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
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431 Tagebuch 1926 die schneebedeckte Kette der Pyrenäen, und wir immer durchs Ebrotal, der hier schon mächtig breit ist. Erbarmungslos graugelbe  – im Abendlicht dann goldgelbe Steinstädte  – klettern u. kleben an den Abfällen der kahlen Felsenberge. Gerade hier wo manches im äußerlichen Gewand an Italien erinnert tritt der Unterschied der Landschaftsstruktur noch deutlicher hervor. Nie lieblich, immer ernst ; nie pathe- tisch, immer in sich beruhend. Die Fruchtbarkeit nimmt gegen Süden zu ; Huerten, Ölwälder und Wein, Wein ohne Ende. Wir hatten einen vielachsigen Wagen, der so gelinde fuhr, dass wir beim Fahren schreiben konnten. Hans konzipiert das Feuilleton Spanische Königsgräber. Ein junger Geistlicher  – der sich nachher als Prorektor der Universität in Burgos herausstellte  – sagte ihm bewundernd, als er fertig war, „nie hätte ein Spanier so viel, so ununterbrochen geschrieben.“ Die Unterhaltung mit dem Geistlichen ging z[um] T[eil] über Edukation und Landessitten  – er fuhr zu seiner schwer erkrankten Schwester  …65 Wir kamen spät in Barcelona an u. fuhren am nächsten Morgen (4.) früh nach d. Montserrat. Erst etwa 2 Stunden mit der Bahn u. dann noch […] mit dem Funicu- lar. Von der Bahn aus sieht man schon den Felsberg mit seinen phantasieaufreizenden Formen, die Burg von Giganten bewacht  – die Wächter !  – graugelbes nacktes Gestein ; zu halber Höhe das Kloster und die Hotelbauten u. alles was zum Wallfahrtsbetrieb gehört wie Schwalbennester, goldgelb auf grau, daran gerückt. Die Fahrt hinauf rollt einem diesen geschlossenen Komplex ins Nacheinander auf. Und immer tiefer ver- sinkt die unerhört große Ebene unten, roter Felsboden oder graugelber  – je nach dem Licht  – von eisengerötetem Wasser, das wie Schlamm aussieht, den Fluß durchzogen. Ich schreibe Ebene, es ist aber keine. Es ist eine Reliefkarte, auf der man in graphischen Wellen die ganzen Falten des abfallenden Gesteins nachgreifen kann ; es sieht aus fast wie eine modellierte Fensterrose der spätgotischen tollsten Ornamentik  …66 Der Spaziergang oben auf d. Montserrat entlang der Felsen, mit dem Blick hin- unter ist einzigartig. Gut sitzbare Steine bieten sich an, man möchte Rasten u. bleibt Stunden u. Stunden auf dem selben Fleck ; bis die Tiefe rauscht, und bis sie verständ- lich spricht, zu uns herauf, die wir schon irgendwie mit dem Felsen zusammengehö- ren. Und der aufregende Atem der Geschichte weht uns an und endlich sinkt alles zurück ins zeitlose Sein, immer So-gewesen-sein  …67 Während der Nachmittagssiesta auf einem mühsam entdeckten Grasfleck umzieht sich der Himmel. Wir fahren früher zurück als wir die Absicht hatten u. können noch unsere Post im Correo holen. Eine elende Bude, dieser Correo, der gar nicht zum Ehrgeiz d. aufblühenden Stadt passen will. (Von den Kindern gute Nachrich- ten  – von Georg ein wenig erfreulicher Brief  …) Der Samstag war für Barcelona selbst vorbehalten. Museum, Dom, Obstkäseein- kauf  – ein anstrengender Tag. Am Nachmittag tranken wir unsere erste und letzte Naranjada auf spanischem Boden, fuhren mit einer elektr[ischen] Kleinbahn nach San Cugat hinaus. Ein ewig langer Ort mit einer gelbgrauen Klosterkirche hinter
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Erica Tietze-Conrat Tagebücher, Band I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
Titel
Erica Tietze-Conrat
Untertitel
Tagebücher
Band
I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Herausgeber
Alexandra Caruso
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79545-2
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
458
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Danksagung 9
  2. Alexandra Caruso : Zur Edition 11
  3. Edward Timms : Zum Geleit
  4. Die Aufzeichnungen einer „tiefverzweigten“ Frau 17
  5. Alexandra Caruso : „Der Wiener Vasari“ 21
  6. Tagebuch 1923 30
  7. Tagebuch 1924 186
  8. Tagebuch 1925 308
  9. Tagebuch 1926 384
  10. Alexandra Caruso : Zur Spanienreise 387
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