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größer als das im Winter, dann haben wir dort unten 9°, in den höchsten Alpenregionen
etwa —15 bis —16°. So weit aber nur ständig bewohnte Ortschaften in Betracht
kommen, ist das mittlere Wärme-Intervall, in dem sich der Bewohner Österreich-Ungarns
bewegen kann, im kältesten wie im wärmsten Monat nahezu das gleiche, in jenem 9° und
— 8°, iu diesem 9 bis 10° uud 26°. Wer sich das ganze Jahr hindurch einer mittleren
Frühlingstemperatur von 9 bis 10° erfrenen wollte, dem wäre, wie man sieht, in Österreich-
Ungarn die Möglichkeit dazu geboten. Er müßte mit dem fortschreitenden Jahre von seiner
Winterstation in Süddalmatien im richtigen Tempo die Alpen hinansteigen, im Hochsommer
in den höchsten bewohnten Thälern Rast halten und mit sinkender Temperatur wieder an
die südlichen Küsten der Adria sich zurückziehen.
Eine ähnliche Reise macht in der That der Frühling, wenn er seinen Einzug in
Österreich-Ungarn hält. Um ihn auf dieser Reise begleiten zu können und die Zeiten
kennen zu lernen, die er braucht, um die ganze Monarchie unter seine Herrschaft zn bringen,
wollen wir uns der Ergebnisse der sogenannten „phänologischen" Beobachtungen bedienen.
Man hat durch dieselben für viele Orte ermittelt, an welchen Tagen des Jahres durch-
schnittlich gewisse Pflanzen beginnen sich zn belauben, ihre ersten Blüten zu entfalten und
ihre ersten Früchte zu reifen.
Die Verschiedenheiten des Eintritts dieser Vegetationsphasen bei bestimmten
Pflanzen an verschiedenen Orten geben eine viel anschaulichere Vorstellung von gewissen
klimatischen Unterschieden derselben, als dies durch die Angabe der Wärmedifferenzcn erzielt
werden könnte. Wir wollen von dem Eintritte der Blütezeit jener Pflanzen ausgehen, die
zu Wien im April blühen,* und nachsehen, um wie viele Tage früher oder später dieselben
Pflanzen in anderen Theilen Österreich-Ungarns zur Blüte gelangen. Das macht uns
anschaulich, welchen Vorsprung oder welche Verspätung der Frühling an einem Orte hat
gegenüber seinem Eintreffen in Wien. Wir finden so, daß er znerst von Süden, später
auch gleichzeitig vou Westen her in Österreich-Ungarn eindringt, vorerst allmälig die
gesammten Niederungen nnter seine Herrschaft bringt, dann aber auch iu die Berge hinauf
vordringt. Im südlichen Dalmatien hat der Frühling einen Vorsprung von nahe zwei
Monaten (Lesina -»-52 Tage), am Nordufer der Adria von mehr als drei Wochen
(Trieft ->-24, Görz ->-21), dauu rückt er auch rasch im Etschthale vor (Roveredo, Riva,
-1-14 Tage, Bozen** -i-18, Meran -i-12) und fast gleichzeitig setzt er sich von der
* Es sind dies die meisten Obstbäume, die eine große Verbreitung haben und deßhalb zur Bergleichung sehr geeignet
sind. Eine kleine Liste der Aprilblüten mit dem Tatum des mittleren Eintritts für Wien folgt hier: Ahorn (plitttinoiäss) und
Weißbirke am 11., Stachelbeere 12., Pfirsich 15., Kirsche und Johannisbeere 17., Schlehe, Erdbeere und Weichsel 19., Trauben-
kirsche und wilder Apfel, Pflaume 24., Narcisse 25., Apfelbaum 28. Die im Text folgenden Zahlen geben an, um wie viel Tage
früher (-j-) oder später (—) diese Pflanzen an anderen Orten zur Blüte kommen.
** Bozen ist im Frühling der oberitalienischen Ebene voraus.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil, Band 2
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil
- Band
- 2
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.77 x 26.41 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch