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fehlen hier die immergrünen Eichen, die Myrte, der Lorbeer, der Oleander und zahlreiche
andere immergrüne Laubhölzer, sowie viele einjährige Gräser und Kräuter und überhaupt
alle jene Pflanzen, welche eine durch Fröste nicht unterbrochene achtmonatliche Vegetations-
zeit oder sehr hohe Hochsommertemperaturen zum Ausreifen ihrer Früchte verlangen oder
deren Organisation eine stärkere Belastung durch Schnee im Winter nicht verträgt. Ebenso
fehlen alle jene Arten, welche schon durch eine sehr geringe Wärmemenge aus dem
Winterschlafe wachgerufen werden, deren Natur aber zur Zeit des Begiuues ihrer
vegetativen Thätigkeit eines wenigstens fünfzehn- bis sechzehnstündigen täglichen Lichtreizes
bedarf und welche sich in dem schleppenden Frühling des baltischen Gebietes bei einer
täglichen Lichtdauer von nur 12 bis 13 Stunden nicht in normaler Weise entwickeln können.
Von den 5.000 bis 6.000 Arten der baltischen Flora entfallen beiläufig zwei Drittel
auf Sporenpflanzen und ein Drittel auf Samenpflanzen. Von letzteren kommen 10 Percent
auf Holzgewächse, 5 Percent auf immergrüne Pflanzen, 70 Percent auf ausdauernde
und 30 Percent auf ein- und zweijährige Arten. Neben Compositen und Gräsern zählen
die Riedgräser, Schotengewächse und Schmetterlingsblütler zu den artenreichsten Familien.
Die Seggen, Weiden, Habichtskräuter, Rosen und Brombeeren sind die artenreichsten
Gattungen; im Gegensatze zu der mediterranen und politischen Flora sind die Gattungen
^bies, I^'copoäium, LIecknum, X:u'(lus, (üalluna, ?irola, Vaeeinium, L,rnica, als
besonders bezeichnend hervorzuheben.
Die Zahl der Pflanzengenossenschasten ist eine überaus große. Mehrere derselbe»,
zumal einige Formen des Laubwaldes finden sich auch in den benachbarten Floren wieder;
ausschließlich dem baltischen Florengebiete eigenthümlich sind aber die folgenden:
Zunächst der Fichtenwald, dessen Grund bei dichtem Stande der Bäume eine
mächtige schwellende Schichte aus Astmoosen mit eingesprengtem Bärlapp, Sauerklee und
Farnen, bei lockerer Stellung der Stämme auch dichtes Heidelbeergestrüpp überzieht; dann
der Weißföhrenwald, in welchem sich zu uuterst ein Teppich aus Moosen, Flechten,
Bärentraube, Wintergrün und abgefallenen vermoderten Nadeln und darüber das Gestrüpp
von Ginster, Haidekraut, Besenstrauch und Wachholder entwickelt findet. Innerhalb der
Grenzen Österreich-Ungarns auf die Alpen und Karpathen beschränkt ist der Zirbeu-
wald. Unter allen Nadelwäldern am reichlichsten mit Unterholz durchsetzt, baut sich
derselbe dort, wo seine Ursprünglichkeit noch bewahrt worden ist, aus mehreren Schichten
auf, so zwar, daß sich über der aus Astmoosen gewebten, den Boden unmittelbar über-
kleidenden Decke zunächst ein Gestrüpp aus Heidelbeeren ausböscht, über welches sich als
eine höhere Schichte Gebüsch aus Grünerlen oder niederen Birken erhebt, und über dieses
breiten sich dann, nnr durch einen geringen Zwischenraum getrennt, die mit langen, bleichen
Bartflechten behangenen Kronen der Zirben aus. Im Gegensatze zum düsteren Zirbenwalde,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil, Band 2
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil
- Band
- 2
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.77 x 26.41 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch