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Die Heteronomie des Willens als der Quell aller unechten
Prinzipien der Sittlichkeit
Wenn der Wille irgend worin anders, als in der Tauglichkeit seiner Maximen
zu seiner eigenen allgemeinen Gesetzgebung, mithin, wenn er, indem er über
sich selbst hinausgeht, in der Beschaffenheit irgend eines seiner Objekte das
Gesetz sucht, das ihn bestimmen soll, so kommt jederzeit Heteronomie
heraus. Der Wille gibt alsdann sich nicht selbst, sondern das Objekt durch
sein Verhältnis zum Willen gibt diesem das Gesetz. Dies Verhältnis, es beruhe
nun auf der Neigung, oder auf Vorstellungen der Vernunft, lässt nur
hypothetische Imperativen möglich werden: ich soll etwas tun darum, weil ich
etwas anderes will. Dagegen sagt der moralische, mithin kategorische
Imperativ: ich soll so oder so handeln, ob ich gleich nichts anderes wollte. Z.
E. jener sagt: ich soll nicht lügen, wenn ich bei Ehren bleiben will; dieser
aber: ich soll nicht lügen, ob es mir gleich nicht die mindeste Schande zuzöge.
Der letztere muss also von allem Gegenstande so fern abstrahieren, dass
dieser gar keinen Einfluss auf den Willen habe, damit praktische Vernunft
(Wille) nicht fremdes Interesse bloß administriere, sondern bloß ihr eigenes
gebietendes Ansehen als oberste Gesetzgebung beweise. So soll ich z. B.
fremde Glückseligkeit zu befördern suchen, nicht als wenn mir an deren
Existenz was gelegen wäre (es sei durch unmittelbare Neigung, oder irgend
ein Wohlgefallen indirekt durch Vernunft), sondern bloß deswegen, weil die
Maxime, die sie ausschließt, nicht in einem und demselben Wollen, als
allgemeinen Gesetz, begriffen werden kann.
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Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
- Titel
- Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
- Autor
- Immanuel Kant
- Datum
- 1785
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 70
- Schlagwörter
- Philosophie, Vernunft, Aufklärung, Ethik, Kritik
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorrede 4
- Erster Abschnitt 9
- Zweiter Abschnitt 20
- Übergang von der populären sittlichen Weltweisheit zur Metaphysik der Sitten 20
- Die Autonomie des Willens als oberstes Prinzip der Sittlichkeit 48
- Die Heteronomie des Willens als der Quell aller unechten Prinzipien der Sittlichkeit 49
- Einteilung aller möglichen Prinzipien der Sittlichkeit aus dem angenommenen Grundbegriffe der Heteronomie 50
- Dritter Abschnitt 54
- Übergang von der Metaphysik der Sitten zur Kritik der reinen praktischen Vernunft. Der Begriff der Freiheit ist der Schlüssel zur Erklärung der Autonomie des Willens 54
- Freiheit muss als Eigenschaft des Willens aller vernünftigen Wesen vorausgesetzt werden 56
- Von dem Interesse, welches den Ideen der Sittlichkeit anhängt 57
- Wie ist ein kategorischer Imperativ möglich? 61
- Von der äußersten Grenze aller praktischen Philosophie 63
- Schlussanmerkung 70