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tagebücher 1839–1847
[frankfurt, vor 20. oktober 1839]
und wenn ich denke, was diesem engel, der sein ganzes leben mir geopfert
hat, für ein herber schmerz bevorsteht, und zwar durch mich, wenn ich
einmal, was doch geschehen muß, eine convenient-heirath machen werde,
da möchte ich mir den kopf abreißen vor Ärger, scham und schmerz.1
ihr vater ist gegen mich ganz über alle maßen freundlich und prévenant,
er läßt mich gar nicht von ihrer seite weggehen und hat erklärt so lange
hier zu bleiben als ich, er engagiert mich alle Augenblicke, ihn in england
zu besuchen, etc. etc., ich muß gestehen, das hatte ich durchaus nicht er-
wartet, er ist ein guter alter herr, der nur zwei leidenschaften hat: calem-
bourgs2 und das Billard, nebstdem die hübschen mädchen, aber in seinen
interims ist er höchst unangenehm, wie mir seine töchter sagen und ich
schon von früher her wußte, launisch, unzart und maltraitirt durch ewige
neckereien seine ganze familie, so daß seine engelsanfte frau voriges Jahr
drum und dran war, sich von ihm scheiden zu lassen, dabei ist aber sein
herz gut, nebstdem ist er in seinen vermögenssachen höchst unvorsichtig
und unüberlegt, hat sich nicht nur in früheren Jahren, sondern auch ganz
kürzlich bedeutend geschadet und sein ehemals großes vermögen sehr ge-
schmälert. Auguste fürchtet, er sei sehr dérangirt.
mittlerweile ist John und eustace in Adelaide town in Australien ange-
langt, wo sie die von ihrem vater gekauften ländereien beurbaren werden,
er verspricht sich davon große vortheile.
1 Andrian schreibt über seine Jugendliebe Augusta horrocks, deren familie er 1835 in görz ken-
nen gelernt und der er nach Augustas tagebuch am 9.6.1836 einen heiratsantrag gemacht
hatte: „victor said yesterday […] ‚Augusta, will you be my wife?‘ […] ‚i am very poor now‘ said
Victor, ‚but I shall one day be able to offer you a comfortable home, and that before very long; my
uncle ct. hartig [richtig Andreas friedrich graf hadik, 1789–1839] is an old man and i am his
heir. When he is gone, i will come to england.‘ i have told dearest mama, and victor has told
his. madame Andriani [sic] said she had a great affection for me, but feared the difference in
religion; being convinced I should never become a Roman Catholic. V said he did not wish it. […]
I don’t think Papa will make any difficulties as V. does not ask him for any dowry with me.“ Vgl.
ingrid horrocks, travelling with Augusta. Preston – gorizia – venice – masterton 1835 & 1999
(Wellington, neuseeland 2003), hier 255. Andrian war auf grund eines Briefes von ihr nach
frankfurt gereist, vgl. eintrag v. 24.10.1840. die familie horrocks, erben einer textilfabrik
im englischen Preston, lebte seit 1831 am kontinent, zunächst im französischen Boulogne, seit
1832 in Wien und seit Juni 1835 in görz, wo zu jener Zeit auch viktor Andrians mutter mit den
übrigen kindern lebte, während er selbst als junger Beamter in udine arbeitete.
2 spiel mit Wörtern mit gleichem oder ähnlichem laut, aber unterschiedlicher Bedeutung
(kalauer).
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band I
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- I
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 744
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien