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30 Tagebücher
habu erinnernd) aus der römerzeit (trajan, diocletian) mit vielen inschrif-
ten des Aethiopierköniges stilco1 aus diocletians Zeit. der andere tempel
ist viel kleiner, aus der Zeit sesostris’ und mit den gewöhnlichen kopfab-
schneidereyen etc. versehen.
hier wie überall lief uns das ganze dorf mit allerhand habseligkeiten
zum verkaufe nach. die Weiber sind mitunter recht hübsch und immer
freundlich und lustig, daher jedenfalls reizender als in egypten, und we-
niger wild und mit fett und ricinus beschmiert als von derr aufwärts, ein
schönerer typus der Physiognomieen, sie tragen die haare ungefähr so wie
die europäischen damen und sind wie alle nubierinnen unverschleyert
und, wie es scheint, weniger unterdrückt als die Aegyptierinnen.
spuren von hyänen fanden wir hier wie anderswo in menge, hörten mit-
unter auch welche, sahen aber keine. dagegen sahen wir in kalabsche eine
große Caravane Ochsen aus dem Sennaar durch die Wüste herandefiliren,
sie gehören alle der regierung und stellen das steuercontingent jenes lan-
des vor, welches anstatt in münze in ochsen bezahlt wird. Auch sahen wir
hier viele Baumwolle und Plätze zum trocknen derselben. hier wird eine
große menge henna erzeugt zum rothfärben der nägel, wir kauften etwas
davon.
eine stunde später fuhren wir an den ziemlich unbedeutenden tempel-
resten in tafe (taphis) die dicht am ufer stehen, vorbey und besahen uns
kurz darauf einen kleinen recht hübschen tempel in gertassee aus der rö-
merzeit.
Wir hatten einen sehr heftigen nord-, daher conträren Wind, welcher
nach und nach so stark wurde und dabey so hohe Wellen warf, daß free-
man förmlich seekrank wurde. das Boot rollte sehr stark, und da wir dabey
um keinen schritt vorwärts kamen, so ließ ich gegen 4 uhr das Boot an ei-
nem dorfe anlegen und gab der mannschaft von unsern Brodvorräthen, da
ihnen der ihrige ausgegangen war, und sie deßhalb nach Assuan drängten.
in ganz nubien ist nämlich kein Brod zu bekommen. die leute essen dafür
einen dünnen Brey aus mehl und Wasser.
Als wir heute früh erwachten, fanden wir uns bey debud geankert und
sahen uns den ziemlich unbedeutenden tempel an, von den Aethiopiern
zu Zeiten der Ptolemäer erbaut. später erhob sich der Wind mit derselben
heftigkeit wie gestern wieder, wir ließen uns demnach ans land setzen und
gingen zu fuße nach der etwa 1 1/2 stunden entfernten insel Philoë, indem
wir das kleine Boot nachfolgen ließen.
Wir kamen auf diesem spatziergange durch eine Anzahl nubischer dör-
fer, in denen sich überall die nämlichen scenen wiederholten.
1 gemeint ist der nubische könig silko (silco) aus dem 5. Jahrhundert n. chr.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien