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haben, denn er sagte mir noch am schlusse, daß er sich durch solche hinder-
nisse allerdings nicht würde aufhalten lassen.
so verließ ich ihn, ziemlich gereizt, daß er eine ziemliche Portion groll
gegen Bruck im herzen trägt, habe ich gesehen, und ich glaube, es war
ganz gut, daß unser gespräch diese Wendung nahm, der stachel sitzt nun
einmahl ihm im fleische, in Bruck sieht er nun mehr als je, und das mit
recht, einen gefährlichen nebenbuhler und erbschleicher und in mir des-
sen freund und Anhänger, das kann zu den verschiedensten dingen führen.
ohnehin war unter den obwaltenden umständen weder von Buol noch von
seinem freunde Bach etwas zu erwarten.
Was mich darin bestärkt, ist, daß er seit dem 19. Bruck von unserer un-
terredung kein Wort gesagt hat, ein Beweis, daß er ihr eine große Bedeutung
beylegt.
tags darauf, am 20., erfuhr ich durch heeckeren, daß der verwaltungs-
rath der eisenbahngesellschaft so eben rousseau zum mitgliede gewählt
habe, ich also durchgefallen sey,1 was mich nur in soferne ärgerte, als ich
auf Brucks wiederholtes drängen zu sina gegangen war und mit ihm deß-
halb gesprochen hatte, ein échec, auch der unbedeutendste, ist immer un-
angenehm. heeckeren wollte mir bey dieser gelegenheit Zweifel in Brucks
Aufrichtigkeit mir gegenüber beybringen, die ich aber nicht theile, jedenfalls
nicht aussprechen will.
ich sprach nun noch am nämlichen tage ganz ernstlich mit Bruck und
sagte ihm, ich wolle und müsse mich nun entscheiden, daß er einen gro-
ßen Werth darauf legt, mich festzuhalten, sehe ich ganz deutlich, nur sieht
er die schwierigkeit, dieses durch eine ämtliche verwendung zu erreichen,
indem der junge herr2 nicht nur, wie er mir durch mehrere Beyspiele erläu-
terte, mißtrauisch und unversöhnlich (et pourtant je persiste à croire, daß
er gegen mich keine rancune, sondern einzig und allein das gefühl des mir
zugefügten unrechts hat, und darin liegt eben seine verblendung und sein
fatum) ist, sondern es nebstdem auch nicht duldet, daß irgend Jemand ihm
von dingen spreche, die ihn nicht speciell berühren oder in sein ressort ge-
hören.
Zwey tage darauf, am 22., schickte er um mich, um mich einem Projecte
mehrerer englischer Banquiers wegen erbauung einer eisenbahn von hier
nach salzburg und münchen beyzuziehen. ich hatte wiederholte unterre-
dungen mit ihrem repraesentanten herrn gabrielli, welcher gestern wie-
der nach london zurückgekehrt ist, um dort die gesellschaft zu constituiren
1 Zu Andrians Bemühungen, in den verwaltungsrat der staatseisenbahn-gesellschaft ge-
wählt zu werden, vgl. eintrag v. 14.6.1855.
2 kaiser franz Joseph.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien