Seite - 265 - in „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“ - Tagebücher 1839–1858, Band III
Bild der Seite - 265 -
Text der Seite - 265 -
2658.
Juli 1856
Werke gegangen werden, aus mancherley ursachen, die Partey, welche er
zu vertreten bestimmt ist, muß erst geschaffen oder richtiger muß sie erst
zum Bewußtseyn gebracht werden, denn sie besteht schon, aber sich selber
unbewußt.
[Wien] 8. July
Wir haben seit 14 tagen mehrmals regen gehabt, doch kömmt derselbe für
den größeren theil der feldfrüchte zu spät, und die ernte dürfte dieses Jahr
kaum eine mittelmäßige werden.
ich sitze noch immer hier und warte auf die constituirung der beyden ei-
senbahngesellschaften, denen ich angehöre. die Westbahn dürfte nächster
tage in ordnung kommen, die statuten sind genehmigt, und es handelt sich
nur mehr um die ordnung einiger innerer pecuniärer fragen, eine odiose
sache, namentlich da das eigene interesse mit im spiele ist, doch kann ich
mich diesen unangenehmen verhandlungen nicht entziehen, da ich nicht
nur mein eigenes sondern auch die interessen meiner collegen gegen die
undelikaten Anforderungen Wickenburgs (der ein alter intrigant zu seyn
scheint) und Anderer zu wahren habe. nebstdem ist mir auch die regelung
meiner ökonomischen stellung deßhalb nicht gleichgültig, weil ich mir da-
durch die Basis für die weiteren Pläne sichern muß, die ich für den kommen-
den Winter habe.
die constituirung der italienischen eisenbahngesellschaft hat noch im-
mer keinen schritt vorwärts gemacht, und noch immer wird talabot, der den
knoten zerhauen soll, erwartet.
ich wollte, ich hätte anstatt dieser dinge eine Beschäftigung, an welcher
ich ein interesse nehmen könnte.
in 14 tagen ungefähr hoffe ich, in hinsicht jener beyden Angelegenhei-
ten wenigstens was das Wesentliche betrifft im reinen zu seyn, und denke,
dann einen kurzen Ausflug nach deutschland zu machen, um mich von allen
diesen dingen zu erholen und einiges in betreff des politischen organes,
welches ich mir für den nächsten Winter sichern will, vorzubereiten.
mittlerweilen mache ich, wenn ich kann, Ausflüge ins land, neulich war
ich ein paar tage in Baden, merkenstein, gaaden und der Brühl und machte
große fußparthieen ganz allein, übermorgen gehe ich auf 3–4 tage mit ed-
mund Zichy auf sein gut sz. mihály bey stuhlweissenburg, um dort versu-
che mit einigen neuen mähmaschinen anzusehen.
mitten unter den widerwärtigen geschäften, welche mich jetzt in An-
spruch nehmen, ist es mir zuweilen eine wahre erholung, ausnahmsweise
Anderes, mir besser Zusagendes vornehmen zu können. ein solches halb
wehmüthiges, halb freudiges gefühl erregte in mir vor einiger Zeit ein
schreiben heinrich gagern’s, womit er mir den 1. Band seiner Biographie
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band III
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- III
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 476
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien