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»Guten Tag, Baron, sind Sie auch schon wieder in Wien eingerückt?«
»Ich bin schon lange zurück«, erwiderte Georg. »Nach dem Begräbnis
meines Vaters hab’ ich Wien nicht mehr verlassen.«
»Ja, ja, natürlich… Gestatten Sie, daß ich Ihnen nochmals… « Und Willy
drückte Georg die Hand.
»Und was haben Sie denn heuer im Sommer getrieben?« fragte Georg.
»Allerlei. Tennis gespielt, gemalt, Zeit vertrödelt, einige amüsante und
noch mehr langweilige Stunden verlebt… « Willy sprach äußerst rasch, wie
mit einer absichtlichen leisen Heiserkeit, scharf, salopp, mit ungarischen,
französischen, wienerischen, jüdischen Akzenten. »Übrigens, wie Sie mich da
sehen«, fuhr er fort, »bin ich heute früh aus Przemysl gekommen.«
»Waffenübung?«
»Jawohl, letzte. Ich sag’s mit Wehmut. So sehr ich mich dem Greisenalter
nähere, es hat mir doch noch immer Spaß gemacht, so mit den gelben
Aufschlägen umherzuwandeln, Sporen klirrend, Säbel scheppernd, eine
Ahnung drohender Gefahr verbreitend, und von mangelhaften Lavaters für
einen bessern Grafen gehalten zu werden.« Sie spazierten weiter, dem Gitter
des Stadtparks entlang.
»Gehen Sie vielleicht zu Ehrenbergs?« fragte Willy.
»Nein, ich denke gar nicht daran.«
»Weil’s der Weg ist. Haben Sie übrigens gehört, Fräulein Else soll verlobt
sein.«
»So?« fragte Georg gedehnt. »Mit wem denn?«
»Raten S’ Baron.«
»Am Ende Hofrat Wilt?«
»O fröhlich!« rief Willy. »Der denkt wohl nicht daran! Die
Verschwägerung mit S. Ehrenberg könnte ihm doch am Ende die
Ministerkarriere erschweren – heutzutage«
»Rittmeister Ladisc?« riet Georg weiter.
»Ah dazu ist Fräulein Else doch zu gescheit, daß sie dem hineinfällt.«
Jetzt erinnerte sich Georg, daß sich Willy vor ein paar Jahren mit Ladisc
geschlagen hatte. Willy fühlte Georgs Blick, zwirbelte den blonden, in
polnischer Art herabhängenden Schnurrbart mit etwas nervösen Fingern hin
und her und sprach rasch und beiläufig: »Der Umstand, daß ich mit dem
Rittmeister Ladisc einmal eine Differenz gehabt hab’, kann mich nicht
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Der Weg ins Freie
- Titel
- Der Weg ins Freie
- Autor
- Arthur Schnitzler
- Datum
- 1908
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 306
- Schlagwörter
- Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
- Kategorien
- Weiteres Belletristik