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ringsum schwieg.
Georg nahm eine Zigarette aus seinem Etui und bot Josef eine an.
»Küß die Hand«, sagte Josef, nahm die Zigarette und verbeugte sich, indem
er ohne ersichtlichen Grund die Hacken aneinander schlug. Während er dem
Baron Feuer gab, glaubte er dessen Blicke auf sein Sacco gerichtet und
bemerkte entschuldigend und mit noch tieferer Stimme als gewöhnlich:
»Bureaujanker.«
»Bureaujanker kommt von Bureau«, sagte Anna einfach, ohne ihren Bruder
anzusehen.
»Fräulein belieben die ironische Walze eingehängt zu haben«, erwiderte
Josef heiter; doch war es dem gehaltenen Ton seiner Rede anzumerken, daß er
sich unter andern Verhältnissen minder angenehm ausgedrückt hätte.
»Die Teilnahme war ja eine allgemeine«, begann der alte Rosner wieder.
»Ich habe den Nachruf in der Neuen Freien Presse gelesen über den Herrn
Papa… von Herrn Hofrat Kerner, wenn ich mich recht erinnere; er war ja
höchst ehrenvoll. Auch die Wissenschaft hat einen herben Verlust erlitten.«
Georg nickte verlegen und blickte auf seine Hände nieder.
Anna sprach von ihrem verflossenen Sommeraufenthalt. »In Weißenfeld
war’s wunderschön«, sagte sie. »Gleich hinter unserm Haus war der Wald,
mit sehr guten ebenen Wegen… nicht wahr, Papa? Da hat man stundenlang
spazierengehen können, ohne einem Menschen zu begegnen.«
»Und haben Sie denn ein Klavier draußen gehabt?« fragte Georg.
»Auch das.«
»Ein greulicher Klimperkasten«, bemerkte Herr Rosner. »So ein Ding, das
Stein erweichen, Menschen rasend machen kann.«
»Es war nicht so arg«, sagte Anna.
»Für die kleine Graubinger gut genug«, fügte Frau Rosner hinzu.
»Die kleine Graubinger ist nämlich die Tochter vom Kaufmann im Ort«,
erklärte Anna, »und ich hab ihr die Anfangsgründe des Klavierspiels
beigebracht. Ein hübsches, kleines Mäderl mit langen, blonden Zöpfen.«
»Es war eine Gefälligkeit für den Kaufmann«, sagte Frau Rosner.
»Ja, aber es muß bemerkt werden«, ergänzte Anna, »daß ich außerdem eine
wirkliche, das heißt bezahlte Stunde gegeben habe.«
»Wie, auch in Weißenfeld?« fragte Georg.
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Der Weg ins Freie
- Titel
- Der Weg ins Freie
- Autor
- Arthur Schnitzler
- Datum
- 1908
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 306
- Schlagwörter
- Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
- Kategorien
- Weiteres Belletristik