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»Dein Kreis… «, sagte Frau Rosner, »wer ist denn dein Kreis?
Kaffeehausfreunderln.«
»Also bitte, weil wir schon davon reden«, sagte Josef, »es hängt auch
wieder mit dem Guldenzettel zusammen. Ich habe jetzt ein Rendezvous im
Kaffeehaus mit dem jungen Jalaudek. Ich hätt’s euch lieber erst gesagt, wenn
die Sache perfekt wird… aber ich seh schon, ich muß früher mit der Farb
heraus. Also der Jalaudek, das is der Sohn von dem Stadtrat Jalaudek, von
dem berühmten Papierhändler. Und der alte Jalaudek ist bekanntlich eine sehr
einflußreiche Persönlichkeit in der Partei… sehr intim mit dem Herausgeber
vom »Christlichen Tagesboten«, Zelltinkel heißt er. Und beim»Tagesboten«
da suchen sie jetzt junge Leute von gefälligen Umgangsformen, – Christen
natürlich, für das Inseratengeschäft. Und da hab ich heute mit dem Jalaudek
Rendezvous im Kaffeehaus, weil er mir versprochen hat, sein Alter wird mich
beim Zelltinkel empfehlen. Das wär etwas Ausgezeichnetes… da bin ich
aus’m Wasser. Da kann ich in der kürzesten Zeit hundert oder auch
hundertfünfzig Gulden im Monat verdienen.«
»Ach Gott«, seufzte der alte Rosner.
Draußen ging die Glocke. Rosner blickte auf.
»Das wird der junge Doktor Stauber sein«, sagte Frau Rosner und warf
einen besorgten Blick nach der Tür, durch die Georgs Klavierspiel noch leiser
drang als früher.
»Also Mama was is eigentlich?« sagte Josef.
Frau Rosner nahm ihre Geldbörse und reichte ihrem Sohn seufzend einen
Silbergulden.
»Küß die Hand«, sagte Josef und wandte sich zum Gehen.
»Josef«, rief Herr Rosner. »Es ist doch einigermaßen unhöflich grade in
dem Augenblick, wenn ein Besuch kommt… «
»Ah, ich dank schön, ich muß nicht von allem haben.«
Es klopfte, Doktor Bertold Stauber trat ein.
»Entschuldigen vielmals, Herr Doktor«, sagte Josef, »ich bin grad im
Weggehen.«
»Bitte«, erwiderte Doktor Stauber kühl, und Josef verschwand.
Frau Rosner forderte den jungen Arzt auf, Platz zu nehmen. Er setzte sich auf
den Divan und horchte nach der Seite hin, von wo das Klavierspiel kam.
»Der Baron Wergenthin«, erklärte Frau Rosner etwas verlegen. »Der
Komponist. Anna hat eben gesungen.« Und sie schickte sich an, ihre Tochter
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Der Weg ins Freie
- Titel
- Der Weg ins Freie
- Autor
- Arthur Schnitzler
- Datum
- 1908
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 306
- Schlagwörter
- Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
- Kategorien
- Weiteres Belletristik