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Violinvirtuosen.
»Es ist gut«, sagte sie, etwas gönnerhaft, »daß Sie mit Georg Wergenthin
verkehren. Er wird günstig auf Sie wirken. Er ist ruhiger als Sie. Ich glaube ja
nicht, daß er so begabt und gewiß nicht, daß er so klug ist wie Sie… «
»Was wissen Sie von seiner Begabung«, unterbrach sie Heinrich beinahe
grob.
Georg trat hinzu und fragte Else, ob man heute nicht das Vergnügen haben
werde, ein Lied von ihr zu hören. Sie hatte keine Lust. Übrigens studiere sie
hauptsächlich Opernpartien in der letzten Zeit. Das interessiere sie mehr. Sie
sei doch eigentlich keine lyrische Natur. Georg fragte sie zum Scherz, ob sie
nicht vielleicht die geheime Absicht habe zur Bühne zu gehen.
»Mit dem bissel Stimme!« sagte Else.
Nürnberger stand neben ihnen. »Das wäre doch kein Hindernis«, bemerkte
er. »Ich bin sogar überzeugt, daß sich sehr bald ein moderner Kritiker fände,
der Sie gerade deswegen als bedeutende Sängerin ausriefe, Fräulein Else, weil
Sie keine Stimme besitzen, der aber dafür irgend eine andere Gabe, zum
Beispiel die der Charakteristik bei Ihnen entdeckte. So wie es heutzutage
namhafte Maler gibt, die keinen Farbensinn haben, aber Geist; und Dichter
von Ruf, denen zwar nicht das geringste einfällt, denen es aber gelingt zu
jedem Hauptwort das falscheste Epitheton zu finden.«
Else merkte, daß die Redeweise Nürnbergers Georg nervös machte und
wandte sich an diesen. »Ich wollte Ihnen ja etwas zeigen«, sagte sie und
machte ein paar Schritte zu der Notenetagere. Georg folgte ihr.
»Hier die Sammlung alt-italienischer Volkslieder. Ich möchte, daß Sie mir
die wertvollsten bezeichnen. Ich selber verstehe doch nicht genug davon.«
»Ich begreife gar nicht«, sagte Georg leise, »daß Sie Menschen wie diesen
Nürnberger in Ihrer Nähe ertragen. Er verbreitet einen wahren Dunstkreis von
Mißtrauen und Übelwollen um sich.«
»Das hab ich Ihnen schon öfters gesagt, Georg, ein Menschenkenner sind
Sie nicht. Was wissen Sie denn überhaupt von ihm? Er ist anders, als Sie
glauben. Fragen Sie nur einmal Ihren Freund Heinrich Bermann.«
»O ich weiß ja, daß der auch für ihn schwärmt«, erwiderte Georg.
»Ihr sprecht von Nürnberger?« fragte Frau Ehrenberg, die eben dazutrat.
»Der Georg kann ihn nicht leiden«, sagte Else in ihrer beiläufigen Art.
»Da tun Sie aber sehr Unrecht daran; haben Sie überhaupt je was von ihm
gelesen?«
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Der Weg ins Freie
- Titel
- Der Weg ins Freie
- Autor
- Arthur Schnitzler
- Datum
- 1908
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 306
- Schlagwörter
- Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
- Kategorien
- Weiteres Belletristik