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Der Weg ins Freie
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junge Leute verkehrten, mit denen man sich in guter und leichter Weise unterhalten konnte. Felician erschien, erzählte seinem Bruder, daß es bei Ehrenbergs noch ganz amüsant geworden war und brachte ihm Grüße von Frau Marianne. Breitner, eine seiner berühmten Riesenzigarren im Mund, gesellte sich zu den Brüdern und sprach davon, daß im Speisesaal nächstens die Bilder einiger verdienter Klubmitglieder aufgehängt werden sollten, vor allem das des jungen Labinski, der im vorigen Jahr durch Selbstmord geendet hatte. Und Georg mußte an Grace denken, an das seltsam glühend-kalte Gespräch mit ihr auf dem Friedhof im schmelzenden Februarschnee und an jene wundervolle Nacht, auf dem mondbeglänzten Deck des Dampfers, der sie beide von Palermo nach Neapel gebracht hatte. Er wußte kaum, nach welcher Frau er sich am meisten sehnte in diesem Augenblick: nach Marianne, der Verlassenen, nach Grace, der Entschwundenen, oder nach dem anmutigen jungen Geschöpf, mit dem er vor ein paar Stunden in einer dämmrigen Kirche herumspaziert war, wie Hochzeitsreisende in einer fremden Stadt, und das den Himmel hatte anflehen wollen, daß ein großer Künstler aus ihm würde. In der Erinnerung daran verspürte er eine gelinde Rührung. War es nicht beinahe, als läge ihr mehr an seiner künstlerischen Zukunft als ihm selbst?… Nein,… nicht mehr. Sie hatte ja doch nur ausgesprochen, was immer tief im Grunde seiner Seele schlummerte. Er vergaß nur sozusagen manchmal, daß er ein Künstler war. Aber das mußte anders werden. So viel war begonnen und vorbereitet. Nur etwas Fleiß, und es konnte am Erfolg nicht fehlen. Und im nächsten Jahr ging es hinaus in die Welt. Eine Kapellmeisterstelle war bald gefunden, und mit einem kräftigen Sprung stand man mitten in einem Beruf, der Geld und Ehren brachte. Neue Menschen lernte er kennen, ein anderer Himmel glänzte über ihm, und geheimnisvoll wie aus fernem Nebel, streckten unbekannte weiße Arme sich nach ihm aus. Und während die jungen Leute neben ihm sehr ernsthaft die Chancen der Kämpfer bei dem bevorstehenden Turnier erwogen, träumte Georg in seiner Ecke weiter von einer Zukunft voll Arbeit, Ruhm und Liebe. Zur gleichen Stunde lag Anna in ihrem dunkeln Zimmer, ohne zu schlafen, die weit offenen Augen zur Decke gerichtet; zum erstenmal in ihrem Leben mit dem untrüglichen Gefühl, daß es einen Menschen auf der Welt gab, der aus ihr machen konnte, was ihm beliebte; mit dem festen Entschluß, alle Seligkeit und alles Leid hinzunehmen, das ihr bevorstehen mochte; und mit einer leisen Hoffnung, schöner, als alle, die ihr je erschienen waren, auf ein beständiges und ruhevolles Glück. 74
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Der Weg ins Freie
Titel
Der Weg ins Freie
Autor
Arthur Schnitzler
Datum
1908
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
306
Schlagwörter
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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