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Der Weg ins Freie
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Stimme sich in der letzten Zeit bedeutend gebessert hätte – was beinahe der Wahrheit entsprach – wäre sie zu einer berühmten Gesangslehrerin nach Dresden gereist, um ihre Ausbildung zu vollenden. Frau Rosner nickte manchmal, als stimmte sie allem zu. Aber die Züge ihres Antlitzes wurden immer trauriger. Nicht so sehr das, was sie erfahren hatte, drückte auf sie, als vielmehr die Vorstellung, daß sie es so wehrlos über sich ergehen lassen mußte, eine arme Mutter, in kleinbürgerlichen Verhältnissen, die dem vornehmen Verführer machtlos gegenübersaß. Georg, der dies mit Bedauern merkte, suchte einen immer leichteren und liebenswürdigeren Ton. Er rückte näher zu der guten Frau hin, er nahm ihre Hand und behielt sie sekundenlang in der seinen. Anna hatte sich an dem ganzen Gespräch kaum mit einem Worte beteiligt. Als aber Georg sich zum Fortgehen anschickte, erhob sie sich, und zum erstenmal vor der Mutter, als hätte sie nun ihre Verlobung mit ihm gefeiert, bot sie ihm die Lippen zum Kusse. In gehobener Stimmung ging Georg die Treppen hinunter, wie wenn nun eigentlich das schlimmste überstanden wäre. Öfter als früher verbrachte er nun ganze Stunden bei Rosners, mit Anna musizierend, deren Stimme in dieser Zeit merklich an Fülle und Kraft gewann. Das Benehmen der Mutter Georg gegenüber wurde freundlicher, ja, manchmal schien es ihm, als müßte sie sich gegen eine wachsende Sympathie für ihn geradezu wehren. Und es gab einen Abend im Kreise der Familie, an dem Georg zum Nachtmahl blieb, nachher, die Zigarre im Munde, den Anwesenden aus den Meistersingern und Lohengrin vorphantasierte, sich, ganz besonders von seiten Josefs, lebhaften Beifalls erfreuen durfte, und beim Nachhausegehen fast erschrocken merkte, daß er sich so behaglich gefühlt hatte wie in einem neu gewonnenen Heim. Ein paar Tage später, als er mit Felician beim schwarzen Kaffee saß, brachte ihm der Diener eine Karte, bei deren Empfang er eine leichte Röte aufsteigen fühlte. Felician tat, als hätte er des Bruders Verlegenheit nicht bemerkt, sagte ihm adieu und verließ das Zimmer. In der Tür begegnete er dem alten Rosner, neigte leicht den Kopf zum Gegengruß und sah vorüber. Georg forderte Herrn Rosner, der im Winterrock mit Hut und Regenschirm eingetreten war, zum Sitzen auf und bot ihm eine Zigarre an. Der alte Rosner sagte: »Ich habe eben geraucht«, was Georg irgendwie beruhigte, und nahm Platz, während Georg an den Tisch gelehnt stehen blieb. Dann begann der Alte mit gewohnter Langsamkeit: »Herr Baron werden sich wahrscheinlich denken können, weshalb ich so frei bin zu stören. Ich wollte eigentlich schon am Vormittag vorsprechen, aber ich konnte leider aus dem Bureau nicht abkommen.« »Vormittag hätten Sie mich nicht zu Hause gefunden, Herr Rosner«, erwiderte Georg verbindlich. 126
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Der Weg ins Freie
Titel
Der Weg ins Freie
Autor
Arthur Schnitzler
Datum
1908
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
306
Schlagwörter
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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