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»Warum sollte er nicht? – wie kommen Sie darauf, Fräulein Else?«
»Gott, vielleicht wird er diese Schauspielerin heiraten und mit ihr in der
Welt herumziehen.«
Georg zuckte die Achseln… Er wüßte von keiner Schauspielerin, mit der
Heinrich in Verbindung stand, und erlaubte sich seinen Zweifel auszudrücken,
daß Heinrich jemals heiraten werde, ob nun eine Prinzessin oder eine
Zirkusreiterin.
»Es wäre schade um Bermann«, sagte Frau Ehrenberg, ohne sich um
Georgs Diskretion zu kümmern. »Überhaupt finde ich, die jungen Leute
nehmen diese Dinge entweder zu leicht oder zu schwer.«
Else ergänzte: »Ja es ist sonderbar. Ihr seid alle in diesen Dingen entweder
viel klüger oder viel dümmer, als in allen andern, obwohl man doch gerade in
solchen Lebenssachen möglichst der bleiben sollte, der man für gewöhnlich
ist.«
»Liebe Else«, sagte Georg obenhin, »wenn einmal Leidenschaften im
Spiele sind… «
»Ja, wenn sie im Spiele sind«, betonte Frau Ehrenberg.
»Leidenschaften!« rief Else. »Ich glaube die sind so was Seltenes, wie alles
Großartige auf der Welt.«
»Was weißt du mein Kind«, sagte Frau Ehrenberg.
»In meiner Nähe habe ich wenigstens noch nichts dergleichen gesehen«,
erklärte Else.
»Wer weiß, ob Sies entdecken würden«, meinte Georg, »auch wenn es
einmal in Ihrer Nähe vorkäme. Von außen gesehen mag zuweilen ein Flirt und
eine Liebestragödie ganz den gleichen Anblick bieten.«
»Das ist gewiß nicht wahr«, sagte Else. »Leidenschaft ist etwas, das sich
unbedingt verraten muß.«
»Woher willst du denn das wissen, Else?« wandte Frau Ehrenberg ein.
»Gerade Leidenschaften können sich manchmal tiefer verbergen, als
irgendein kleines Gefühlchen, schon weil mehr auf dem Spiel zu stehen
pflegt.«
»Ich glaube, gnädige Frau«, entgegnete Georg, »das ist sehr individuell. Es
gibt eben Leute, denen alles auf der Stirn geschrieben steht, und andre, die
undurchdringlich sind. Undurchdringlichkeit ist sogar gewissermaßen ein
Talent wie ein anderes.«
»Man kann es auch ausbilden wie ein anderes«, sagte Else.
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Der Weg ins Freie
- Titel
- Der Weg ins Freie
- Autor
- Arthur Schnitzler
- Datum
- 1908
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 306
- Schlagwörter
- Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
- Kategorien
- Weiteres Belletristik