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Der Weg ins Freie
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schwieg wie schuldbewußt und trotzig zugleich. Da lächelte Else heiter, reichte ihm die Hand und sagte nochmals: »Glückliche Reise«. Er drückte ihr die Hand, als müßte er ihr etwas abbitten. Sie entzog sie ihm, wandte sich ab, ging ins Zimmer zurück. Er blieb noch ein paar Sekunden an der Türe stehen, dann eilte er auf die Straße. Am Abend desselben Tages sah Georg nach vielen Wochen zum erstenmal Leo Golowski im Kaffeehaus wieder. Er wußte von Anna, daß Leo als Freiwilliger in der letzten Zeit unangenehme Dinge durchzumachen hatte, daß besonders jene »Bestie in Menschengestalt« ihn mit Bosheit, ja mit wahrem Haß verfolgte. Es fiel Georg heute auf, wie Leo in der kurzen Zeit, während er ihn nicht gesehen, sich verändert hatte. Er sah geradezu gealtert aus. »Es freut mich, daß ich Sie vor meiner Abreise noch einmal zu Gesicht bekomme«, sagte Georg und setzte sich ihm gegenüber an den Kaffeehaustisch. »Sie freut es«, erwiderte Leo, »daß Sie mich zufällig wieder einmal zu Gesicht kriegen, und mir war es ein Bedürfnis, Sie noch einmal zu sehen, das ist der Unterschied.« Seine Stimme klang noch zärtlicher als gewöhnlich. Er sah Georg ins Auge, gütig, beinahe väterlich. In diesem Moment zweifelte Georg nicht mehr, daß Leo alles wußte, war ein paar Sekunden so verlegen, als wenn er sich vor ihm zu verantworten hätte, ärgerte sich über seine Verlegenheit und war Leo dankbar, daß er sie nicht zu bemerken schien. Sie sprachen beinahe nur über Musik an diesem Abend. Leo erkundigte sich nach dem Fortgang von Georgs Arbeiten, und im Verlaufe der Unterhaltung ergab es sich, daß Georg sich bereit erklärte, Leo am morgigen Sonntag Nachmittag einiges aus seinen neuesten Kompositionen vorzuspielen. Aber als sie sich voneinander verabschiedeten, hatte Georg plötzlich das unangenehme Gefühl, als wenn er eben eine theoretische Prüfung mit mäßigem Erfolg bestanden hätte und ihm für morgen das praktische Examen bevorstünde. Was wollte dieser junge, weit über sein Alter sich reif gebärdende Mensch eigentlich von ihm? Sollte Georg ihm gegenüber erweisen, daß sein Talent ihn berechtigte, Annas Geliebter zu sein, oder der Vater ihres Kindes zu werden? Er erwartete Leos Besuch mit innerm Widerstand. Einen Moment dachte er sogar daran, sich verleugnen zu lassen. Aber als Leo erschienen war, so harmlos und herzlich, wie er sich manchmal zu geben liebte, wurde Georg bald milder gestimmt. Sie tranken Tee, rauchten Zigaretten, Georg zeigte seine Bibliothek, die Bilder, die in der Wohnung hingen, Antiquitäten und Waffen, und die Prüfungsstimmung verschwand. Georg setzte sich ans Klavier, spielte ein paar seiner Stücke aus früherer Zeit und die letzten, auch die Ballade, viel besser als gestern bei Ehrenbergs, dann einige Lieder, zu denen Leo ohne Stimme, aber mit sicherem, musikalischen Gefühl die Melodie markierte. Endlich begann er das Quintett aus der Partitur 147
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Der Weg ins Freie
Titel
Der Weg ins Freie
Autor
Arthur Schnitzler
Datum
1908
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
306
Schlagwörter
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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