Seite - 161 - in Der Weg ins Freie
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»Das ist auch nicht merkwürdig. Aber wenn du draufkommst, mit wem er
da ist… «
»Mit Sissy Wyner.«
»Aber… «
»Nun, ich dachte verheiratet… das kommt ja auch vor.«
»Nein, nicht mit Sissy und nicht verheiratet, sondern mit deiner Freundin
Therese und so unvermählt als möglich.«
»Na geh… «
»Wie ich dir sage, mit Therese. Seit acht Tagen sind sie auf Reisen. Was
sagst du dazu? In Venedig und Mailand waren sie. Hattest du eine Ahnung
davon?«
»Nein.«
»Wirklich nicht?«
»Wirklich nicht. Du weißt doch, daß mir Therese nur einmal flüchtig
geschrieben hat, und du hast ja mit bekanntem Interesse ihren Brief gelesen.«
»Du bist mir nicht genug erstaunt.«
»Gott ich hab immer gewußt, daß sie einen guten Geschmack hat.«
»Demeter auch«, rief Georg mit Überzeugung aus.
»Wahlverwandtschaften«, bemerkte Anna mit hochgezogenen Brauen und
häkelte weiter.
»Und das ist nun die Mutter meines Kindes«, sagte Georg mit heiterm
Kopfschütteln.
Sie sah ihn lächelnd an. »Wann kommt sie denn zu mir?«
»Nachmittag so gegen sechs, denk ich. Und… und Stanzides kommt
auch… etwas später. Sie werden mit uns speisen. Du hast doch nichts
dagegen?«
»Dagegen? Ich freu mich sehr«, erwiderte Anna einfach. Georg war
angenehm berührt. Wenn Anna in ihrem Zustand Stanzides in Wien begegnet
wäre!… dachte er. Wie doch das Entrücktsein aus der gewohnten Umgebung
befreit und reinigt!
»Was haben sie denn Neues erzählt?« fragte Anna.
»Wir sind kaum drei Minuten zusammen gestanden, bei der Post. Er läßt
dir übrigens die Hand küssen.«
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Der Weg ins Freie
- Titel
- Der Weg ins Freie
- Autor
- Arthur Schnitzler
- Datum
- 1908
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 306
- Schlagwörter
- Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
- Kategorien
- Weiteres Belletristik