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Der Weg ins Freie
Seite - 165 -
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»Trotzdem. Auch meinen Eltern bin ich innerlich nicht gerade sehr nah. Und doch… wenn ich… nein, nein ich will lieber gar nicht an solche Dinge denken. Willst du nicht weiter lesen?« Georg las: »Es gibt ernstere Dinge als den Tod, traurigere gewiß, weil eben diesen andern Dingen das Endgültige fehlt, das im höhern Sinn das Traurige des Todes wieder aufhebt. Es gibt zum Beispiel lebendige Gespenster, die auf der Straße wandeln bei hellichtem Tag, mit längst gestorbenen und doch sehenden Augen, Gespenster, die sich zu einem hinsetzen und mit einer Menschenstimme reden, die viel ferner klingt als aus einem Grab heraus. Und man könnte sagen, daß in Augenblicken, da man dergleichen erlebt, das Wesen des Todes sich viel unheimlicher erschließt, als in solchen, da man dabeisteht, wie jemand in die Erde gesenkt wird… und wär er einem noch so nah gestanden.« Georg ließ den Brief unwillkürlich sinken, und Anna sagte mit Bestimmtheit: »Du kannst ihn dir schon behalten deinen Freund Heinrich.« »Ja«, erwiderte Georg langsam, »er ist manchmal ein bißchen affektiert. Und doch… o, das ist ja schon das erste Läuten zum Lunch, lesen wir rasch zu Ende.« »Aber nun muß ich Ihnen doch erzählen, was sich gestern hier zugetragen hat, die peinlichste und lächerlichste Geschichte, die mir seit langem vorgekommen ist, und leider sind die Beteiligten unsere guten Bekannten Ehrenberg Vater und Sohn.« »O«, rief Anna unwillkürlich. Georg hatte die folgenden Zeilen rasch für sich durchgeflogen und schüttelte den Kopf. »Was ist denn?« fragte Anna. »Das ist doch… höre nur«, und er las weiter. »Wie sehr sich das Verhältnis zwischen dem Alten und Oskar im Lauf des letzten Jahres zugespitzt hat, wird Ihnen ja nicht entgangen sein. Sie kennen ja auch die innern Gründe, so daß ich den Vorfall einfach berichten kann, ohne mich über die Motive des breitern auszulassen. Denken Sie also. Gestern zur Mittagszeit geht Oskar an der Michaelerkirche vorüber und lüftet den Hut. Sie wissen, daß es zurzeit kaum eine Eigenschaft gibt, die für eleganter gilt als die Frömmigkeit. Und so bedarf es vielleicht nicht einmal einer weiteren Erklärung wie z. B. die, daß eben ein paar junge Aristokraten aus der Kirche gekommen sein mögen, vor denen sich Oskar katholisch gebärden wollte. Weiß der Himmel wie oft er schon vorher sich dieser Falschmeldung ungefährdet schuldig gemacht hat. Das Unglück wollte nun gestern, daß im selben Moment der alte Ehrenberg des Wegs daherkommt. Er sieht wie Oskar vor dem Kirchentor den Hut abnimmt… und von einer fassungslosen Wut ergriffen, holt er aus und haut 165
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Der Weg ins Freie
Titel
Der Weg ins Freie
Autor
Arthur Schnitzler
Datum
1908
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
306
Schlagwörter
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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