Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Weiteres
Belletristik
Der Weg ins Freie
Seite - 167 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 167 - in Der Weg ins Freie

Bild der Seite - 167 -

Bild der Seite - 167 - in Der Weg ins Freie

Text der Seite - 167 -

»Dem Sport?« »Einem ganz eigenartigen. Er spielt mit Menschenseelen.« »Wie?« »Hör nur.« Er las: »Jetzt behauptet dieser Hanswurst mit der Lösung folgender zweier psychologischen Aufgaben zugleich beschäftigt zu sein, die sich in geistreicher Weise ergänzen. Erstens: ein junges, unverdorbenes Geschöpf aufs furchtbarste zu depravieren und zweitens eine Dirne zur Heiligen zu machen, wie er sich ausdrückt. Er verspricht nicht zu ruhen, ehe die erste in einem Freudenhaus, die zweite in einem Kloster endet.« »Eine nette Gesellschaft«, bemerkte Anna und stand vom Tisch auf. »Wie klingt das alles hierher!« sagte Georg, und folgte ihr in den Park. Über den Wipfeln der Bäume ruhte sonnenschwer ein dunkelblauer Tag. Eine Weile standen sie an der niederen Balustrade, die den Garten von der Straße schied, und sahen über den See zu den Bergen hin, die hinter silbergrauen im Sonnenlicht bebenden Schleiern dämmerten. Dann spazierten sie tiefer in den Park, wo die Schatten kühler und dunkler waren, und während sie Arm in Arm über den leise knisternden Kies wandelten, längs der hohen braunen efeubewachsenen Mauer, über die alte Häuser mit schmalen Fenstern hereinstarrten, plauderten sie von den Nachrichten, die heute gekommen waren. Und zum ersten Male stieg eine leichte Sorge in ihnen auf, bei dem Gedanken, daß sie nun aus der freundlichen Geborgenheit der Fremde so bald wieder nach Hause sollten, wo selbst der Alltag von geheimen Fährlichkeiten erfüllt schien. Sie setzten sich unter die Platane an den weiß lackierten Tisch. Wie mit Absicht war dieser Platz immer für sie freigehalten. Nur gestern Nachmittag war der neu angekommene österreichische Herr dagesessen, hatte sich aber, durch einen mißbilligenden Blick Annas fortgewiesen, mit höflichem Gruß entfernt. Georg eilte aufs Zimmer und holte für Anna ein paar Bücher, für sich einen Band von Goethe-Gedichten und das Manuskript seines Quintetts. Nun saßen sie beide da, lasen, arbeiteten, sahen zuweilen auf, lächelten einander an, sprachen ein paar Worte, guckten wieder ins Buch, blickten über die Balustrade ins Freie und fühlten den Frieden in ihren Seelen und den Sommer in der Luft. Sie hörten, wie der Springbrunnen hinter dem Busch ganz nahe rauschte und dünne Tropfen auf den Wasserspiegel fielen. Manchmal knarrten die Räder eines Wagens jenseits der hohen Mauer, zuweilen tönten vom See her dünne, ferne Pfiffe, seltener noch klangen Menschenstimmen von der Uferstraße in den Garten herein. Von Sonne vollgetrunken drückte der Tag auf die Wipfel. Später, mit dem leisen Wind, der jeden Nachmittag vom See her wehte, verstärkten und mehrten sich Laute und Stimmen. Die Wellen 167
zurück zum  Buch Der Weg ins Freie"
Der Weg ins Freie
Titel
Der Weg ins Freie
Autor
Arthur Schnitzler
Datum
1908
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
306
Schlagwörter
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Der Weg ins Freie