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»Das ist wirklich ein schöner Fleck Erde, auf dem ich das Glück habe, Sie
wieder zu begrüßen, gnädige Frau.«
»Es ist auch mir eine angenehme Überraschung«, erwiderte Anna, »ganz
abgesehen von der Gegend.«
»Weißt du«, sagte Georg zu Anna, »daß die Herrschaften morgen schon
wieder abreisen?«
»Ja, Therese hat’s mir erzählt.«
»Wir wollen uns doch möglichst viel ansehen«, erklärte Demeter. »Und
meiner Erinnerung nach sind die andern oberitalienischen Seen noch
großartiger, als der hier.«
»Von den andern weiß ich nichts«, sagte Anna. »Wir sind von da noch gar
nicht weggekommen.«
»Nun, vielleicht benützen Sie die Gelegenheit«, sagte Demeter, »und
schließen sich uns für einen kleinen Ausflug an. Bellaggio, Pallanza, Isola
bella.«
Anna schüttelte den Kopf »Es wäre wohl schön, aber ich bin leider nicht
mobil genug. Ja, unglaublich faul bin ich. Es gibt ganze Tage, wo ich nicht
aus dem Park herauskomme. Aber wenn Georg Lust hat, mir auf ein bis zwei
Tage zu echappieren, so habe ich gar nichts dagegen.«
»Ich denke gar nicht dran dir zu echappieren«, sagte Georg. Er warf einen
raschen Blick auf Therese, deren Augen leuchteten und lachten. Sie
bummelten alle langsam durch den Garten, während es allmählich dämmerte,
und plauderten über die Orte, die sie in der letzten Zeit gesehen hatten. Als sie
wieder an den Tisch unter der Platane kamen, war gedeckt, und in den
Glasglocken brannten die Gartenlichter. Eben brachte der Kellner den Kübel
mit Asti. Anna setzte sich auf die Bank, die an den Stamm der Platane gelehnt
war, ihr gegenüber saß Therese, zu ihren beiden Seiten Georg und Demeter.
Das Essen wurde aufgetragen und der Wein eingeschenkt. Georg
erkundigte sich nach den Wiener Bekannten. Demeter erzählte, daß Willy
Eißler von der Reise ein paar glänzende Karikaturen mitgebracht hatte,
sowohl von den Jägern, als von den Tieren. Der alte Ehrenberg hätte die
Bilder gekauft.
»Wissen Sie übrigens schon«, sagte Georg, »die Geschichte mit Oskar?«
»Welche Geschichte?«
»Nun, die Sache mit seinem Vater vor der Michaelerkirche.« Er erinnerte
sich, daß er schon vorher, als die Damen noch nicht erschienen waren,
Demeter die Geschichte hatte erzählen wollen, daß er es aber für richtiger
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Der Weg ins Freie
- Titel
- Der Weg ins Freie
- Autor
- Arthur Schnitzler
- Datum
- 1908
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 306
- Schlagwörter
- Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
- Kategorien
- Weiteres Belletristik