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Der Weg ins Freie
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glückselig, als Georg erschien. Sie war jung und strahlend, in einer herrlichen, dekolletierten Abendtoilette. Gleich hinter ihr saß ein kleiner Bub mit blonden Locken, in Matrosenanzug mit breitem, weißem Kragen, und Anna sagte: »Das ist er.« Georg machte ihr ein Zeichen zu schweigen, denn es sollte ja ein Geheimnis sein. Indessen spielte Leo oben als Beweis seiner Theorie diecis moll Nocturne von Chopin, und hinter ihm an der Wand, lang, hager und gütig, lehnte der alte Bösendorfer, im gelben Überzieher. Alle verließen in großem Gedränge den Konzertsaal. Georg gab Anna den Theatermantel um die Schultern und sah die Leute ringsum strenge an. Dann saß er mit ihr im Wagen, küßte sie, empfand große Wonne dabei und dachte: könnt es doch immer so sein! Plötzlich hielten sie vor dem Hause in Mariahilf. Oben am Fenster warteten schon viele Schüler und winkten. Anna stieg aus, verabschiedete sich von Georg mit einem pfiffigen Gesicht und verschwand im Haustor, das lärmend hinter ihr zufiel. »Bitte sehr, noch zehn Minuten«, sagte jemand. Georg richtete sich auf. Der Kondukteur stand in der Türe und wiederholte: »In zehn Minuten sind wir in Wien.« »Danke«, sagte Georg und stand auf, mit ziemlich wirrem Kopf. Er öffnete das Fenster und freute sich, daß draußen in der Welt schönes Wetter war. Die frische Morgenluft ermunterte ihn völlig. Gelbe Mauern, Bahnwärterhäuschen, Gärtchen, Telegraphenstangen, Straßen flogen vorüber, und endlich stand der Zug in der Halle. Ein paar Minuten darauf fuhr Georg in einem offenen Fiaker nach seiner Wohnung, sah Arbeiter, Ladenmädchen, Bureauleute zu ihrem täglichen Berufe wandern, hörte Rolladen in die Höhe schnurren; und inmitten aller Unruhe, die seiner wartete, inmitten aller Sehnsucht, die ihn anderswo hinzog, empfand er das tiefe Wohlgefühl des Wiederdaheimseins. Als er in sein Zimmer eintrat, fühlte er sich wie geborgen. Der alte Schreibtisch mit dem grünen Tuch überzogen, der Briefbeschwerer aus Malachit, die gläserne Aschenschale mit dem eingebrannten Reiter, die schlanke Lampe mit dem breiten, grünen Milchglasschirm, die Bilder des Vaters und der Mutter in den schmalen Mahagonirahmen, in der Ecke das runde Marmortischchen mit der Silberkassette für Zigarren, dort an der Wand der Prinz von der Pfalz nach Van Dyck, der hohe Bücherschrank mit den olivenfarbigen Vorhängen; – alles grüßte ihn mit Herzlichkeit. Und gar der Blick, der gute, heimatliche über die Baumkronen des Parks zu den Türmen und Dächern, wie tat der wohl! Aus allem, was er hier wiederfand, strömte es ihm wie kaum geahntes Glück entgegen, und es fiel ihm schwer aufs Herz, daß er all das in wenigen Wochen verlassen mußte. Und bis man wieder ein Heim, ein wirkliches Heim haben würde, wie lang mochte das dauern! Gern hätte er sich ein paar Stunden lang in seinem lieben Zimmer aufgehalten: aber er hatte keine Zeit. Vor der 219
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Der Weg ins Freie
Titel
Der Weg ins Freie
Autor
Arthur Schnitzler
Datum
1908
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
306
Schlagwörter
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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