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»Darum?«
»Ja.«
»Und doch glaub ich, Berthold, würdest du der Sache anders
gegenüberstehen, wenn du Anna Rosner irgend einmal als Witwe
wiederfändest – selbst im Fall, daß dir der verstorbene Gatte noch
antipathischer gewesen wäre, als der Freiherr von Wergenthin.«
»Das ist möglich. Man könnte dann doch annehmen, daß sie geliebt – oder
wenigstens respektiert worden ist, nicht genommen und – weggeworfen,
sobald der Spaß zu Ende war. Das hat für mich etwas… nun, ich will mich
nicht näher ausdrücken.«
Der Alte sah seinen Sohn kopfschüttelnd an. »Es scheint wirklich, daß all
die vorgeschrittenen Ansichten von euch jungen Leuten auf der Stelle
hinfällig werden, sobald eure Leidenschaften und Eitelkeiten mit ins Spiel
kommen.«
»In Hinsicht auf gewisse Fragen der Reinheit oder Reinlichkeit weiß ich
mich keiner sogenannten vorgeschrittenen Ansicht schuldig, Vater. Und ich
glaube, auch du wärst nicht sehr entzückt, wenn ich Lust verspürte, der
Nachfolger eines mehr oder weniger verstorbenen Baron Wergenthin zu
werden.«
»Gewiß nicht, Berthold. Besonders ihretwegen, denn du würdest sie zu
Tode quälen.«
»Sei unbesorgt«, erwiderte Berthold. »Anna schwebt in keinerlei Gefahr
von meiner Seite. Es ist vorbei.«
»Das ist ein guter Grund. Aber zum Glück gibt es einen noch bessern. Der
Baron Wergenthin ist weder tot noch durchgegangen… «
»Auf das Wort kommt es wohl nicht an.«
»Er hat, wie dir bekannt ist, eine Stellung in Deutschland als
Kapellmeister… «
»Das hat sich gut getroffen. Er hat überhaupt viel Glück gehabt in der
ganzen Sache. Nicht einmal für ein Kind sorgen zu müssen!«
»Du hast zwei Fehler, Berthold. Erstens bist du wirklich ein ungütiger
Mensch, und zweitens läßt du einen nicht ausreden. Ich wollte nämlich sagen,
daß es zwischen Anna und dem Baron Wergenthin durchaus nicht aus zu sein
scheint. Erst vorgestern hat sie mir einen Gruß von ihm ausgerichtet.«
Berthold zuckte die Achseln, als wäre diese Angelegenheit für ihn erledigt.
»Wie geht’s denn dem alten Rosner?« fragte er dann.
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Der Weg ins Freie
- Titel
- Der Weg ins Freie
- Autor
- Arthur Schnitzler
- Datum
- 1908
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 306
- Schlagwörter
- Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
- Kategorien
- Weiteres Belletristik