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»Diesmal kommt er wohl noch durch«, erwiderte der Alte. »Übrigens hoff
ich, Berthold, du hast dir die nötige Objektivität bewahrt, um zu wissen, daß
an seinen Anfällen nicht der Gram um die »ungeratene Tochter« schuld ist,
sondern eine leider ziemlich weit vorgeschrittene Arteriosklerose.«
»Gibt Anna wieder ihre Lektionen?« fragte Berthold nach einigem Zögern.
»Ja«, erwiderte der Alte, »aber vielleicht nicht mehr lang.« Und er zeigte
seinem Sohn die Visitenkarte, die er noch immer in der Hand hielt.
Berthold verzog die Mundwinkel. »Du denkst«, fragte er spöttisch, »er
kommt her, um Hochzeit zu feiern, Vater?«
»Das werd ich gleich erfahren«, erwiderte der Alte. »Jedenfalls freu ich
mich, ihn wiederzusehen – denn ich versichre dich, daß er einer der
sympathischsten jungen Menschen ist, die ich je kennen gelernt habe.«
»Merkwürdig«, sagte Berthold. »Ein Herzenbezwinger ohnegleichen. Auch
Therese schwärmt für ihn. Und Heinrich Bermann neulich, es war fast
komisch… Nun ja, ein schöner, schlanker, blonder junger Mann; Freiherr,
Germane, Christ – welcher Jude könnte diesem Zauber widerstehen… Adieu,
Vater!«
»Berthold!«
»Was denn?« Er biß sich auf die Lippen.
»Besinn dich auf dich! Wisse, wer du bist.«
»Ich… weiß es.«
»Nein. Du weißt es nicht. Sonst könntest du nicht so oft vergessen, wer die
andern sind.«
Wie fragend hob Berthold den Kopf.
»Du solltest einmal zu Rosners hingehen. Es ist deiner nicht würdig, daß du
Anna deine Mißbilligung in so – kindischer Weise zu erkennen gibst. – Auf
Wiedersehen… Und gute Unterhaltung in der silbernen Weintraube.« Er
reichte dem Sohn die Hand, dann begab er sich in sein Sprechzimmer. Er
öffnete die Türe des Wartesalons und lud Georg von Wergenthin, der in einem
Album blätterte, durch eine freundliche Neigung des Kopfes ein, bei ihm
einzutreten.
»Vor allem Herr Doktor«, sagte Georg, nachdem er Platz genommen hatte,
»muß ich mich bei Ihnen entschuldigen. Meine Abreise kam so plötzlich…
Leider hatte ich keine Gelegenheit mehr, mich bei Ihnen zu verabschieden,
Ihnen persönlich zu danken, für Ihre große… «
Doktor Stauber wehrte ab. »Es freut mich sehr, Sie wiederzusehen«, sagte
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Der Weg ins Freie
- Titel
- Der Weg ins Freie
- Autor
- Arthur Schnitzler
- Datum
- 1908
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 306
- Schlagwörter
- Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
- Kategorien
- Weiteres Belletristik