Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Weiteres
Belletristik
Der Weg ins Freie
Seite - 268 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 268 - in Der Weg ins Freie

Bild der Seite - 268 -

Bild der Seite - 268 - in Der Weg ins Freie

Text der Seite - 268 -

Aber während all dies schwer in seine Seele sank, gab er ihr mit leichten Worten zu, daß sie wirklich nicht unrecht hätte, und daß Briefe – und seien sie selbst zwanzig Seiten lang – nicht sonderlich viel enthalten könnten; und während ein peinigendes Mitleid mit ihr in ihm aufquoll, sprach er linde die Hoffnung auf eine Zeit aus, in der sie auf Briefe beide nicht mehr angewiesen sein würden. Und dann fand er zärtlichere Worte, erzählte von seinen einsamen Spaziergängen in der Umgebung der fremden Stadt, wo er ihrer dächte; von den Stunden in dem gleichgültigen Hotelzimmer, mit dem Blick auf den lindenbepflanzten Platz und von seiner Sehnsucht nach ihr, die immer da war, ob er allein über seiner Arbeit saß, oder Sänger am Klavier begleitete oder mit neuen Bekannten plauderte. Aber als er mit ihr vor dem Haustor stand, ihre Hand in der seinen, und ihr mit einem heitern »Auf Wiedersehen« in die Augen blickte, sah er betroffen in ihnen eine müde, kaum mehr schmerzliche Enttäuschung verglimmen. Und er wußte: Alle die Worte, die er zu ihr gesprochen, nichts, weniger als nichts hatten sie ihr zu bedeuten gehabt, da das einzige, das kaum mehr erwartete und immer wieder ersehnte doch nicht gekommen war. Eine Viertelstunde später saß Georg auf seinem Parkettsitz in der Oper, zuerst noch ein wenig verdrossen und matt; bald aber strömte die Freude des Genießens durch sein Blut. Und als Brangäne ihrer Herrin den Königsmantel um die Schultern warf, Kurwenal das Nahen des Königs meldete und das Schiffsvolk auf dem Verdeck im Glanz des aufleuchtenden Himmels dem Land entgegenjauchzte, da wußte Georg längst nichts mehr von einer übel verbrachten Nacht im Kupee, von langweiligen Bestellungsgängen, von einem recht gezwungenen Gespräch mit einem alten, jüdischen Doktor und von einem Spaziergang über feuchtes Pflaster, in dem das Licht der Laternen sich spiegelte, an der Seite einer jungen Dame, die brav, vornehm und etwas gedrückt aussah. Und als der Vorhang zum erstenmal gefallen war und das Licht den rotgoldenen Riesenraum durchflutete, fühlte er sich keineswegs in unangenehmer Weise ernüchtert, sondern es war ihm vielmehr, als tauchte er sein Haupt von einem Traum in den andern; und eine Wirklichkeit, die von allerhand Bedenklichem und Kläglichem erfüllt war, floß irgendwo draußen machtlos vorbei. Niemals, so schien es ihm, hatte die Atmosphäre dieses Hauses ihn so sehr beglückt wie heute; nie war seiner Empfindung so offenbar gewesen, daß alle Menschen für die Dauer ihres Hierseins in geheimnisvoller Weise gegen allen Schmerz und allen Schmutz des Lebens gefeit waren. Er stand auf seinem Eckplatz vorn im Mittelgang, sah manchen wohlgefälligen Blick auf sich gerichtet und war sich bewußt, hübsch, elegant und sogar etwas ungewöhnlich auszusehen. Und war nebstbei – auch das erfüllte ihn mit Befriedigung – ein Mensch, der einen Beruf, eine Stellung hatte, und selbst hier, im Theater, mit Auftrag und Verantwortung 268
zurück zum  Buch Der Weg ins Freie"
Der Weg ins Freie
Titel
Der Weg ins Freie
Autor
Arthur Schnitzler
Datum
1908
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
306
Schlagwörter
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Der Weg ins Freie