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Der Weg ins Freie
Seite - 271 -
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Die Lichter verlöschten, das Vorspiel zum dritten Akt begann. Georg hörte müde Meereswellen an ein ödes Ufer branden und die wehen Seufzer eines totwunden Helden in bläulich dünne Luft verwehen. Wo hatte er dies nur zum letztenmal gehört? War es nicht in München gewesen?… Nein, es konnte noch nicht so lange her sein. Und plötzlich fiel ihm die Stunde ein, da auf einem Balkon, unter hölzernem Giebel die Blätter der Tristanpartitur vor ihm offen gelegen waren. Drüben zwischen Wald und Wiese war ein besonnter Weg zum Friedhof hingezogen, ein Kreuz hatte golden geblinkt; unten im Hause hatte eine geliebte Frau in Schmerzen aufgestöhnt, und ihm war weh ums Herz gewesen. Und doch, auch diese Erinnerung hatte ihre schwermutvolle Süßigkeit, wie alles, was völlig vergangen war. Der Balkon, der kleine, blaue Engel zwischen den Blumen, die weiße Bank unter dem Birnbaum… wo war das nun alles! Noch einmal mußte er jenes Haus wiedersehen, einmal noch, ehe er Wien verließ. Der Vorhang hob sich. Sehnsüchtig tönte die Schalmei, unter einem blaß und gleichgültig hingespannten Himmel, im Schatten von Lindenästen schlummerte der verwundete Held, und ihm zu Häupten wachte Kurwenal, der treue. Die Schalmei schwieg, über die Mauer beugte sich fragend der Hirt und Kurwenal gab Antwort. Wahrhaftig, das war eine Stimme von besonderen Klang. Wenn wir solch einen Bariton hätten, dachte Georg. Und mancherlei andres, was uns fehlt! Wenn man ihm nur die nötige Macht in die Hand gäbe, er fühlte sich berufen im Laufe der Zeit aus dem bescheidenen Theater, an dem er wirkte, eine Bühne ersten Ranges zu machen. Er träumte von Musteraufführungen, zu denen die Menschen von allen Seiten strömen müßten; nicht mehr als Abgesandter saß er nun da, sondern als einer, dem es vielleicht beschieden war, selber in nicht allzu fernen Tagen Leiter zu sein. Weiter und höher liefen seine Hoffnungen. Vielleicht nur ein paar Jahre vergingen – und selbstgefundene Harmonien klangen durch einen festlich- weiten Raum; und die Hörer lauschten ergriffen, wie heute diese hier, während irgendwo draußen eine schale Wirklichkeit machtlos vorbeifloß. Machtlos? Das war die Frage!… Wußte er denn, ob ihm gegeben war Menschen durch seine Kunst zu zwingen, wie dem Meister, der sich heute hier vernehmen ließ? Sieger zu werden über das Bedenkliche, Klägliche, Jammervolle des Alltags? Ungeduld und Zweifel wollten aus seinem Innern emporsteigen; doch rasch bannten Wille und Einsicht sie von dannen, und nun fühlte er sich wieder so rein beglückt wie immer, wenn er schöne Musik hörte, ohne daran zu denken, daß er selbst oft als Schöpfer wirken und gelten wollte. Von allen seinen Beziehungen zu der geliebten Kunst blieb in solchen Augenblicken nur die eine übrig, sie mit tieferem Verstehen aufnehmen zu dürfen, als irgend ein anderer Mensch. Und er fühlte, daß Heinrich die Wahrheit gesprochen hatte, als sie zusammen durch einen von Morgentau 271
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Der Weg ins Freie
Titel
Der Weg ins Freie
Autor
Arthur Schnitzler
Datum
1908
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
306
Schlagwörter
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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