Frühmittelalter#
Bevor die letzten Römer 488 aus Ufernoricum abzogen, siedelte bereits bei Krems der germanische Stamm der Rugier, deren Reich auf Odoakers Befehl vernichtet wurde. Weiter westlich bildeten sich im 6. Jahrhundert allmählich die germanischen Stämme der Baiern und Alemannen, während im Wiener Raum immer stärker die Auswirkungen der Völkerwanderung spürbar wurden.
Nach Attilas Tod 453 kam es zum Kampf germanischer Stämme untereinander. Nachdem die Ostgoten nach Italien abgezogen waren (vor 493), wo sie unter Theoderich ein kurzlebiges Reich mit Einschluß alpiner Gebiete gründeten, hatten ab 509 die Langobarden für einige Jahrzehnte die Herrschaft inne. Sie verbündeten sich zwar anfangs mit dem neu in Pannonien eingedrungenen asiatischen Reitervolk der Awaren, wichen aber schließlich 576 vor diesen nach Italien aus und überließen ihnen die Herrschaft im östlichen Donaugebiet.
Westlich der Enns, in Salzburg und Nordtirol hatten sich die Baiern konsolidiert und die aus römischer Zeit verbliebene Bevölkerung in ihren Stamm aufgenommen. Wie die Alemannen gerieten auch sie allmählich unter fränkische Oberhoheit.
Östlich der Enns und in Karantanien behielten die Awaren die Herrschaft über die in das Wald- und Weinviertel sowie in das Alpenvorland und in die Alpentäler einwandernden Süd- und Nordslawen.
Die Grenze des Vordringens dieser Slawen ist aus Gewässer- und Ortsnamen erkennbar: Sie breiteten sich bis in das 8. Jahrhundert über ganz Niederösterreich, die Steiermark und Kärnten sowie den Ostteil Oberösterreichs aus. Nur unter Samo konnten sie sich 623-662 von den Awaren lösen, wobei nicht sicher ist, ob sich dessen Slawenstaat auch über Gebiete Österreichs erstreckte.
Im 8. Jahrhundert hatten wieder die Awaren die Führung inne; vielleicht verschob sich im ausgehenden 8. Jahrhundert die Grenze zu den Baiern, so dass das Gebiet zwischen Enns und Wienerwald zeitweise bairisch war. Aufgrund der wenig stabilen Verhältnisse bis in diese Zeit sind davon kaum historische Denkmäler erhalten.
Hingegen kam es vor allem durch den fränkischen Einfluss im bairischen Raum zu einem beträchtlichen kulturellen Aufschwung, der durch das Christentum getragen wurde (Christianisierung). Um 739 missionierte Bonifatius Bayern und machte Salzburg, wo schon ab 696 der heilige Rupert wirkte, zu einem Bistum.
Weitere Bischofssitze entstanden in Passau, das sich auf die antike Tradition von Lorch berief, und in Säben-Brixen in Südtirol Im Zuge dessen wurden Klöster gegründet, etwa durch Herzog Tassilo III. 748 Mondsee und 777 Kremsmünster (Tassilokelch und -leuchter erinnern an den Stifter), vor 784 Mattsee und Innichen im Pustertal. Die Epoche fand durch die Absetzung von Tassilo III. durch Karl den Großen 788 und schließlich mit der Niederwerfung der Awaren durch die Franken 791-796 ihren Abschluss; damit war ganz Österreich Teil des Fränkischen Reichs geworden.
Nach der Zerstörung des Awarenreichs wurden Reste dieses Volks im nördlichen Burgenland angesiedelt, und auch slawischen Fürsten wurde der Aufbau regionaler Herrschaftsbereiche ermöglicht. Die Führungspositionen wurden von einer bairisch-fränkischen Adelsschicht eingenommen, die auch die Kolonisation einleitete.
Der österreichische Raum wurde in 2 Markgebieten organisiert und von Präfekten verwaltet; darunter bildeten Grafschaften die kleineren Verwaltungseinheiten. Aufgrund der geringen Zahl an Quellen lässt sich darüber wenig Genaueres sagen. Zwar wurden einige Kirchen erbaut, etwa die Martinskirche in Linz, die Ruprechtskirche in Wien oder die Kirche in Karnburg (Kärnten), unklar ist hingegen, ob es eine Pfarrorganisation gab. Auch weitere Klostergründungen fallen in diese Zeit: St. Florian (805), St. Pölten (vielleicht schon zur Zeit Tassilos). Auch die Errichtung von Burgen ist in einigen Fällen belegt.
Ebenso fällt der mächtige Ausbau von Salzburg in diese Zeit: Nachdem Bischof Virgil 767-74 einen großen Dom erbaut hatte, wurde Salzburg unter Arno 798 zum Erzbistum erhoben. Geistliche Stützpunkte waren das Stift St. Peter und das Frauenkloster auf dem Nonnberg.
Salzburg bemühte sich vor allem um die Christianisierung der Alpenslawen in Karantanien und gemeinsam mit Passau auch um die der Slawen in Pannonien und in der Slowakei, doch wurden dort nur bescheidene Erfolge erzielt, da die von den Slawenaposteln Kyrill und Method getragene Gegenbewegung starken Rückhalt besaß, in geistlicher Hinsicht beim Papst, in politischer Hinsicht im Großmährischen Reich.
An der Thaya-March-Mündung hatte sich vor der Mitte des 9. Jahrhunderts ein slawisches Herrschaftsgebiet entwickelt, dessen geistig-kulturelle Traditionen auf Byzanz zurückgingen. In dieses Reich wurden bald Randgebiete des bairischen Raums, insbesondere das heutige Weinviertel, einbezogen. Die letzten Jahrzehnte des 9. Jahrhunderts standen im Zeichen von Kämpfen der regionalen Machthaber (aber auch ostfränkischer Könige) mit den Herrschern dieses Mährischen Reichs, unter denen Swatopluk (870-94) hervorragte.
Der ostfränkische König Ludwig der Deutsche verbündete sich 864 sogar mit dem Khan der Bulgaren gegen die Mährer. Sein Enkel Arnulf, Herzog von Kärnten, wurde 887 zum ostfränkischen König erhoben (ab 896 Kaiser), aber auch er konnte die Grenze nicht dauernd sichern.
Die zwischen 903 und 905 entstandene Raffelstettener Zollordnung zeigt die Verhältnisse im Grenzbereich am Ausgang des 9. Jahrhunderts. Die östlichste Handelsstation im Donaubereich war Mautern; die Franken und Baiern lieferten vor allem Salz und bezogen aus dem Osten Rinder und Pferde, Lebensmittel, Honig, Wachs und Sklaven.
Ab 881 wurde die Ostgrenze durch ein neues asiatisches Reitervolk, die Magyaren, beunruhigt. Der eigenen Stammessage zufolge ließen sie sich 896 in Pannonien nieder und begannen bald mit Expansionsversuchen nach Westen. 904 zerstörten sie das Großmährische Reich, am 4. 7. 907 unterlag ihnen der bairische Heerbann bei Pressburg.
Diese Niederlage markiert das Ende der karolingischen Epoche: Österreich östlich der Enns kam unter ungarische Vorherrschaft, westlich davon herrschten weiterhin die Baiern, die alsbald im entstehenden deutschen Königtum einen Rückhalt fanden. Die Entwicklung von Oberösterreich, Salzburg und Tirol vollzog sich nun im bairischen, die von Vorarlberg im alemannischen Stammesherzogtum.
Ohne größere Zäsur verlief in dieser Zeit die Geschichte von Salzburg. Die nach 800 angelegten Güterverzeichnisse zeigen, dass das Erzbistum die reichste Kirchenprovinz Baierns war. Wie stark das geistige Leben bereits entwickelt war, beweisen die überlieferten Annalen. Salzburg verfügte auch über eine Bibliothek und ein Skriptorium. 845 war der Virgildom abgebrannt, 2 Jahre später auch die Klosterkirche von St. Peter. Beide wurden wieder aufgebaut, 860 erhielt Salzburg überdies eine reiche Schenkung von Gütern in Niederösterreich, der Steiermark und Kärnten sowie von anschließenden Gebieten in Westungarn. Nach der Katastrophe von 907 bestand das Erzbistum im Rahmen des Herzogtums Baiern weiter. Erzbischof Odalbert II. (923-935) stammte aus dem Adelsgeschlecht der Aribonen, der ab 939 regierende Erzbischof Herold aus der Familie der Liutpoldinger. Er war Erzkapellan Ottos des Großen, wurde in den Konflikt um den Königssohn Liudolf verwickelt und 955 durch Herzog Heinrich von Baiern geblendet. Er habe die Kirchen geplündert, deren Schatz den Ungarn ausgeliefert und habe dem Kaiser die Treue gebrochen, hieß es später in einer Erklärung des Papstes, der auf der Seite Heinrichs stand.
In der 1. Hälfte des 10. Jahrhunderts ging von Ungarn eine ständige Beunruhigung aus. Nachdem die Ungarn 933 in Sachsen abgewiesen worden waren und die deutschen Heere sich allmählich auf ihre Kriegstechnik eingestellt hatten, begann sich eine Entscheidung abzuzeichnen. Einem ungarischen Feldzug nach Westen trat König Otto I. am 10. 8. 955 bei Augsburg mit einem Aufgebot aller Stämme entgegen und errang den Sieg. In den darauf folgenden Tagen wurde das gesamte ungarische Heer vernichtet, der Sage nach sollen nur 7 Ungarn die Heimat wiedergesehen haben.
Damit war für Mitteleuropa und insbesonders für den österreichischen Raum die Möglichkeit einer Neuordnung gegeben, die in den folgenden Jahrzehnten geschaffen wurde und zur Entstehung der Länder führte, die das heutige Österreich bilden (Hochmittelalter).
Tassilokelch in Stift Kremsmünster, 8. Jh. n. Chr. (Video-Album)
Gregorianik (Musik-Lexikon)
Literatur#
- H. Wolfram und andere, Die Bayern und ihre Nachbarn, Denkschrift der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 179/180,1985
- H. Wolfram, Die Geburt Mitteleuropas, Geschichte Österreichs vor seiner Entstehung, 1987
- H. Wolfram, Grenzen und Räume. Geschichte Österreichs vor seiner Entstehung 378-907 (= Österreichische Geschichte in 10 Bänden, herausgegeben von H. Wolfram, 1994ff., Band 1), 1995
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