IBM Labor Wien#
Von Walter Pachl#
Nachdem eine Gruppe von Ingenieuren unter der Leitung von Prof. Heinz Zemanek an der Technischen Hochschule Wien den ersten voll transistorisierten Computer Europas (das Mailüfterl) gebaut und auch programmiert hatte, wurde das nachmalige Labor Wien 1961 zunächst als IBM Forschungsgruppe, organisatorisch als ein Projekt des deutschen Labors in Böblingen unter Prof. Karl Ganzhorn, ins Leben gerufen. Die ersten Jahre waren Forschungsaufgaben gewidmet, die wesentlich von Vorarbeiten dieser Gruppe an der Technischen Hochschule Wien geprägt waren. Es waren dies Arbeiten zur Weiterentwicklung von Programmiersprachen, zu mathematischen Beweisen für die Korrektheit von Programmen, zu lernenden Programmen (frühe Arbeiten zur Künstlichen Intelligenz) und zur Verarbeitung gesprochener Sprache. Es gab oft die Zusammenarbeit mit Vertretern der damals noch jungen wissenschaftlichen Welt der Informatik.
1964 bekam die Gruppe den Status eines eigenständigen Labors. Es startete damit auch die Zusammenarbeit mit anderen IBM Labors. Wien bekam den Auftrag, eine formale, mathematisch fundierte Definition der sehr komplexen Programmiersprache PL/I zu erstellen. In enger Zusammenarbeit mit den Entwicklern dieser Sprache und der Compiler für PL/I (Checkout und Optimizing Compiler in Hursley, GB) wurden drei Versionen dieser Definition mit dem Titel ULD (Universal Language Definition) erstellt. Diese waren entsprechend der Komplexität von PL/I sehr umfangreich. Sie haben zur Klärung und Bereinigung von etlichen Problemen der neu entwickelten Sprache beigetragen und beeinflussten auch die Beschreibung im PL/I Standard ISO 6160.
Formale Methoden blieben ein Forschungsgebiet in Wien. Es wurde besonders die Entwicklung von Programmen, vom Entwurf bis zum fertigen Programmcode untersucht. Basierend auf den Konzepten von ULD entstand die Vorgangsmethode VDM, Vienna Definition Method zur Entwicklung von Computer-Programmen, die auf formalen Spezifikationen mit Hilfe der VDM-eigenen Spezifikationssprache VDL (Vienna Definition Language) beruhte. VDM und VDL fanden ihren Weg in die akademische Welt. Auch Probleme der Parallelverarbeitung von Programmen wurden untersucht.
Ab 1975 wurde das Labor als Program Product Development Center (PPDC) weitergeführt. Die Aufgabe war, Programmprodukte für die IBM Kunden zu entwickeln. In dieser Periode wurde das Labor bis auf 120 Mitarbeiter aufgestockt.
Die Produktpalette enthielt VIDEOTEX (in seiner Absicht ein Vorläufer des Internets), System Utilities für DOS/VS, DITTO, Language Compiler (PL/I Subset Compiler für DPPX, Weiterentwicklung von RPG, REXX), Screen Definition Facility (SDF), Process Management Werkzeuge (ADPS, FLOWMARK) und ein Speech Recognition Programm. Bei der Programmiersprache REXX blühte auch die Zusammenarbeit mit IBM Hursley wieder auf: Bei der Entwicklung des REXX ANSI Standards arbeitete das Labor intensiv mit. Das REXX Compiler Team wirkte auch bei der Definition der ooRexx Definition durch das Labor Hursley mit. Die Erstellung einer umgebungsübergreifenden REXX Test Suite sicherte die Qualität der REXX Compiler und garantierte die Kompatibilität mit den vorhandenen REXX Interpretierern.
Das Labor hatte nicht nur die Verantwortung für die technische Entwicklung und die Qualität der Produkte übernommen, sondern auch für ihren wirtschaftlichen Erfolg. Das Geschäft mit Programmprodukten hatte seit 1975 stetig an Bedeutung gewonnen und die in Wien entwickelten Produkte erwiesen sich nicht nur als qualitativ hervorragend, sondern waren und sind größtenteils auch wirtschaftlich sehr erfolgreich.
Schließlich soll noch erwähnt werden, dass aus den Reihen der Labormitarbeiter siebzehn Universitätsprofessoren hervorgegangen sind.
Das IBM Labor Wien ist Geschichte. Seine Aufgaben wurden 1994 anderen IBM Laboratorien übertragen.
Ergänzung:
Die Weiterentwicklung und Wartung einiger Wiener Produkte
(SDF und DITTO) wurde mit einem Teil der Mitarbeiter unter
deutschem Management (Labor Boeblingen) noch bis Ende 1998 fortgesetzt.
Andere Kollegen gingen in den vorzeitigen Ruhestand oder
fanden Aufgaben in der IBM Österreich.
Weiterführendes#
- Dines Bjørner
- Gerhard Chroust
- Cliff Jones
- Werner Kuich
- Peter Lucas
- Hermann Maurer
- Walter Pachl
- Kurt Walk
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