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Kreisgrabenanlagen#

Wurden während der Lengyel-Kultur der mittleren Jungsteinzeit errichtet; sie bestehen aus 1-3 konzentrischen Kreisgräben (bis 10 m breit und 6 m tief) mit einem Gesamtdurchmesser zwischen 45 und 145 m. Kreisgrabenanlagen wurden besonders im Weinviertel durch Luftbildarchäologie entdeckt. Erforscht wurden doppelte Kreisgrabenanlagen bei Friebritz südöstlich von Laa an der Thaya und in Kamegg bei Gars am Kamp.

Älter als Stonehenge#

Kalender aus der Jungsteinzeit in Niederösterreich

Die Kreisgrabenanlage Steinabrunn in der Simulation: Blick von oben (l.) und aus der Mitte durch das Südosttor bei Sonnenaufgang Anfang Februar/November. Wenn Archäologen vorerst unerklärliche Dinge ausgraben, wird diesen gerne "religiöser oder kultischer Ursprung" unterstellt, witzeln Kritiker der Altertumsforscher. Wenigstens für einige der rund 50 sogenannten Kreisgrabenanlagen in Niederösterreich vermutet ein Team von Archäologen und Astronomen der Universität Wien nun handfestere Zwecke: Es könnte sich schlicht um riesige Kalender gehandelt haben.

Die Kreisgrabenanlagen aus der mittleren Jungsteinzeit gehören zu Europas ältesten Monumentalbauten und wurden zwischen 4800 und 4500 vor Christus errichtet. Was die Anlagen bezweckten, hat der Wiener Archäologe Wolfgang Neubauer bereits 2004 mittels Luftbild- und Magnetuntersuchungen herausgefunden: Er wies nach, dass die Tore der Anlagen auf die Messung von Sommer- und Wintersonnenwende ausgerichtet sind.

Demnach dürften einige der Bauten als Sonnen- und Sternenkalender gedient haben. Die Simulation des Sternenhimmels vor 6500 Jahren und der Vergleich dieser Daten mit den Steinkreisanlagen habe ergeben, dass die Bauten jedenfalls zum Teil als eine Art steinzeitlicher Kalender dienten, erklärt der Astronom Georg Zotti. In einem Projekt sollen jetzt sämtliche Kreisgrabenanlagen im Hinblick auf die Kalenderfunktion archäologisch und astronomisch untersucht werden.

Auf den ersten Blick schienen die Ausrichtungen der Anlagen eher chaotisch, so Zotti. Im Vorfeld des Projekts wurden daher 28 Anlagen untersucht und dabei überraschend signifikante Übereinstimmungen gefunden. "Bei etwa einem Drittel der Bauten weisen jeweils zwei Tore in die exakt gleiche Richtung", sagt Zotti.

Die Bauten dürften auch für religiöse und soziale Zwecke genutzt worden sein: etwa als Platz für Versammlungen oder Wettkämpfe, Übergangs- oder Initiationsrituale oder bestimmte Feste im Jahreskreis. Dafür spricht, dass in der Jungsteinzeit jede bekannte Siedlung in Niederösterreich über eine Kreisgrabenanlage verfügte, vergleichbar mit heutigen Kirchen oder Vereinshäusern.

Bemerkenswert ist, dass etwa Stonehenge zur Zeit der niederösterreichischen Kreisgrabenanlagen noch in den Kinderschuhen steckte: Die komplexen, von einem Graben umgebenen Monumentalbauten wurden rund 2000 Jahre vor dem britischen Steinkreis errichtet. Allerdings verwendeten die heimischen Baumeister Holz und nicht Granit.

Mehr zum Projekt im Internet: http://astrosim.univie.ac.at

--> Quelle: Wiener Zeitung, Printausgabe vom Donnerstag, 18. Juni 2009


Literatur#

  • G. Trnka, Studien zu mittelneolithischen Kreisgrabenanlagen, 1991.