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Rainer, Arnulf#

* 8. 12. 1929, Baden (Niederösterreich)


Maler

Zünglein ohne Waage, Arnulf Rainer
Zünglein ohne Waage (Selbstporträt). Gemälde, 1975
© Galerie Ulysses, Wien, für AEIOU

Arnulf Rainer wurde am 8. Dezember 1929 in Baden bei Wien geboren.

Von 1940 bis 1944 besuchte er die nationalpolitische Erziehungsanstalt in Traiskirchen, Niederösterreich, wo im Zeichenunterricht hauptsächlich Kriegsthemen behandelt wurden. 1944 verließ er die Schule, weil er vom Zeichenprofessor gezwungen wurde, nach der Natur zu zeichnen und beschloss, Künstler zu werden.

Er besuchte von 1947 bis 1949 die Staatsgewerbeschule in Villach, wo er 1949 maturierte. Er bestand die Aufnahmeprüfung für Graphik an der Akademie für angewandte Kunst in Wien, verließ jedoch die Klasse noch am selben Tag auf Grund einer künstlerischen Kontroverse, bestand kurz darauf die Aufnahmeprüfung an der Akademie der bildenden Künste in Wien (Malerei-Klasse), wo aber seine Arbeiten als entartet bezeichnet wurden und er ebenfalls das Haus verließ.

Anfang der 1950er Jahre entwickelten sich in Wien ausgeprägte spätsurrealistische Tendenzen, die später als "Wiener Schule des phantastischen Realismus" zusammengefasst und u.a. von den Künstlern Arik Brauer, Ernst Fuchs, Rudolf Hausner und Anton Lehmden vertreten wurden.

Die Spätsurrealisten waren Mitglieder des "Art-Club", einer drei Jahre zuvor gegründeten Organisation von bildenden Künstlern und Kunstschriftstellern.

Arnulf Rainer schuf in diesen Jahren intensiv verdichtete surreale Zeichnungen, lehnte sich aber zunehmend gegen den "Art-Club"-Ästhezismus auf. Er gründete mit Ernst Fuchs, Anton Lehmden, Arik Brauer, Wolfgang Hollegha und Josef Mikl eine eigene Gruppierung, die er "Hundsgruppe" nannte.

Als sein Beitrag zur ersten (und letzten) Veröffentlichung der "Hundsgruppe" entstand die Graphik-Mappe "Cave Canem". Im März 1951 fand die erste (und einzige) Ausstellung der "Hundsgruppe" in den Räumen der Wiener Gesellschaft für Wissenschaft und Kunst statt. Bei der Eröffnung kam es zu einem regelrechten Kunstskandal: Rainer, der sich damals "Trrr" nannte – was an das Knurren eines Hundes erinnern sollte – startete voller Enttäuschung über die Eröffnungsrede von Ernst Fuchs eine spontane Publikumsbeschimpfung.

Ebenfalls 1951 traf er in Paris auf die beiden Maler Jackson Pollock und Jean-Paul Riopelle, von denen er sich auf seiner Suche nach einem eigenen Kunstausdruck kurzzeitig beeinflussen ließ. 1953 begegnete er dem Priester Otto Mauer, in dessen "Galerie nächst St. Stephan" er schließlich mit seinen ersten Einzelpräsentationen sowie mit Hollegha, Markus Prachensky und Mikl als Malergruppe "Galerie St. Stephan" zu Hause war.

Ab 1953 wandte er sich "Formzerstörungen" zu: Schwarzbilder, Zustriche und vor allem Übermalungen (von Graphiken und Fotografien), die sein weiteres Werk dominierten. Er experimentierte mit "Blindmalereien", kam zeitweise sehr in die Nähe zum Wiener Aktionismus, machte Erfahrungen mit Drogen, Arbeiten im Drogenrausch und betrieb Studien in psychiatrischen Kliniken.

In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre übertrug er die Übermalungen auf Fotografien vom eigenen Körper und vom Gesicht: es entstanden die "Gesichtsübermalungen". In seinen Performance-Werken ab dem Jahr 1958 übermalte er auch den eigenen Körper.

Diese künstlerische Beschäftigung mit dem eigenen Körper ist verbunden mit einer Identitätssuche und der Erkundung der eigenen Körpersprache. Dabei kamen Werke mit Titeln wie zum Beispiel "Face Farces" und "Body Poses" zustande, die an Arbeiten des Wiener Aktionismus erinnern. Von den Übermalungen entstanden zahlreiche Variationen wie zum Beispiel expressive Fingermalerei oder große Kreuzserien. 1961 wurde er in Wolfsburg wegen der öffentlichen Übermalung eines prämierten Bildes sogar gerichtlich verurteilt.

Ab Mitte der 1970er Jahre wandte er sich einer gestischen Fuß- und Fingermalerei zu, Rainer überarbeitete Fotos von Arbeiten anderer Künstler.

Der Tod wurde zu einem zentralen Thema: auch hier arbeitete er mit Übermalungen von Totenmasken, Mumien, Leichengesichtern und Darstellungen von Kreuzigungen.

1977 nahm er an der documenta 6 teil, ein Jahr später vertrat er Österreich bei der Biennale von Venedig. 1981 folgte er einer Berufung zum Professor an die Akademie der Bildenden Künste in Wien und wurde Leiter einer Meisterklasse für Malerei.

1995 zerstörten unbekannte Täter im Atelier von Rainer in der Akademie der bildenden Künste in Wien 26 Gemälde, woraufhin er auf eigenen Wunsch emeritierte.

Sein Hiroshima-Zyklus, eine Serie von Zeichnungen und Fotos der zerstörten Stadt, wurde ab 1982 in siebzehn europäischen Städten gezeigt. In seinem Spätwerk beschäftigt sich Rainer intensiv mit der Fotografie, zuerst um Vorlagen für seine Überarbeitungen zu haben, später entwickelten sie sich zu eigenständige Arbeiten und wurden nicht mehr übermalt.


Es folgte die erstmalige Ausstellung der seit 1994 entstandenen Mikrokosmos-, Makrokosmos-Bilder in der Kärntner Landesgalerie, bei denen Rainer neue Techniken und Materialien, wie geriffeltes Aluminiumblech, durch Schrotkugelbeschuss strukturierten Karton, u.a. anwandte und Arnulf Rainer begann an den Bibelillustrationen zu arbeiten.

Die Museen der Welt würdigten die künstlerische Arbeit des Malers mit zahlreichen Personalen und Retrospektiven - vom Centre Pompidou in Paris (1984) über das Guggenheim in New York (1989) bis zur Pinakothek der Moderne in München, die Rainer 2002 einen eigenen Raum widmete. 2009 wurde in Baden, seiner Geburtsstadt, das eigens ihm gewidmete Museum im einstigen Frauenbad eröffnet. Dort läuft bis zum 30. April 2015 noch die Jubiläumsschau "Rainer Universalis". Die große Retrospektive in der Albertina, bei der bis 6. Jänner rund 150 Werke aus allen Schaffensperioden zu sehen waren, wandert danach ins Frieder Burda Museum in Baden-Baden, wo sie von 28. Februar bis 3. Mai gezeigt wird.

Arnulf Rainer lebt in Wien, Oberösterreich, Bayern und seit Dezember 1996 (im Winter) auch auf Teneriffa.

Das gebildete Auge von Arnulf Rainer, Sonderpostmarke
Das gebildete Auge
© Öst. Post


Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#

  • Österreichischer Staatspreis für Grafik, 1966
  • Großer Österreichischer Staatspreis für Bildende Kunst, 1978
  • Max-Beckmann-Preis der Stadt Frankfurt a. Main, 1981
  • Aufnahme in die Akademie der Künste in Berlin, 1981
  • Preis des International Center of Photography, New York, 1989
  • Rhenus-Kunstpreis, Mönchengladbach, 2003
  • Aragón-Goya Preis, Spanien, 2005
  • Ehrendoktorat der katholischen Fakultät der Universität Münster, 2004
  • Ehrendoktorat der Theologie von der Kath.- Theol. Privatuniversität Linz, 2006
  • Eröffnung des Arnulf Rainer Museums im Frauenbad in Baden bei Wien, 2009
  • Großes Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Niederösterreich, 2014
  • Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse, 2015

Ausstellungen (Auswahl):

  • Galerie Nächst St. Stephan, Wien, 1956
  • Wiener Secession, 1957
  • Museum des 20. Jahrhunderts, Wien, 1968
  • "documenta" in Kassel, 1972, 1977, 1982
  • Biennale São Paolo, 1971
  • Kunsthalle Bern, 1977
  • Städtische Galerie im Lenbachhaus, München, 1977
  • Biennale Venedig, 1978
  • Nationalgalerie, Berlin, 1980
  • Stedelijk Van Abbe Museum, Eindhoven, Whitechapel Art Gallery, London, 1981
  • Centre Georges Pompidou, Paris, 1984
  • Solomon R. Guggenheim Museum, New York, Museum of Contemporary Art, Chicago, 1989
  • Castello di Rivoli, Turin, Haags Gemeentemuseum, Den Haag, 1990
  • Städtisches Kunstmuseum Bonn, 1990
  • Malmö Konsthall, 1991
  • The Menil Collection, Houston, 1992
  • Isländische Nationalgalerie, Reykjavik, 1996
  • Kunsthalle Krems, 1997
  • Stedelijk Museum, Amsterdam, 2000
  • die Pinakothek der Moderne in München widmete Arnulf Rainer einen Raum, in dem seine Werke permanent gezeigt werden, 2002
  • Museo Correr, Venedig, 2003
  • Museum für angewandte Kunst (MAK), Wien, 2006
  • Belvedere, Wien, 2008
  • Musée d'Art Moderne de Saint-Etienne, 2009
  • Arnulf Rainer. Retrospektive, Albertina, Wien, 2014/2015

Weiterführendes#

Literatur#

  • Raineriana, Aufsätze zum Werk von A. Rainer, herausgegeben von O. Rychlik, 1989
  • E.-G. Giese, A. Rainer. Malerei 1980-1990, 1990
  • J. Schütt, A. Rainer. Überarbeitungen, 1994
  • C. Aigner und andere (Hg.), A. Rainer Retrospektive 1947-1997, 1997
  • W. Hofmann, A. Rainers konstruktive Destruktion, 1997
  • I. Brugger (Hg.), A. Rainer - Gegen.Bilder, Ausstellungskatalog, Wien 2000
  • R. H. Fuchs, A. Rainer. Noch vor der Sprache, Ausstellungskatalog, Stedelijk Museum, Amsterdam 2000

Quellen#


Redaktion: I. Schinnerl


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