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Die Rothschild Dynastie in Österreich#

Historischer Hintergrund - Der Patriarch Mayer Amschel Rothschild (1744 - 1812)#

Im Jahr 1460 war in Frankfurt am Main für Juden ein Ghetto vorgeschrieben worden, dessen Tore bei Sonnenuntergang sowie an Sonn- und Feiertagen verschlossen wurden. Die Wohnbedingungen in dieser Judengasse waren extrem beengt, die wirtschaftlichen Möglichkeiten sehr beschränkt, die sanitären und hygienischen Zustände elend. Eine im Haus zum roten Schild lebende Familie übernahm einstmals diesen Haus- als Familiennamen. 1756 wurde der junge Mayer Amschel Rothschild nach Hannover in die Lehre zum jüdischen Münzhändler Oppenheim geschickt und erwarb sich dort genügende Kenntnisse in Numismatik und Kunstgeschichte, um nach seiner Rückkehr ins Frankfurter Judenviertel ein eigenes Geschäft aufzumachen, für Interessenten entwickelte er erste Münzkataloge. Der Erbprinz Wilhelm von Hessen-Kassel (später Landgraf), der der florierenden Leidenschaft des Münzsammelns huldigte, nutzte die Dienste Mayer Rothschilds zu solcher Zufriedenheit, daß dieser Hessischer Hoflieferant wurde. Aus seiner Ehe mit Gutle Schnapper überlebten 5 Söhne und ebenso viele Töchter das Kindesalter. Ab 1790 verlegte sich Mayer auf Banktransaktionen, wie Staatsanleihen und Kreditgeschäfte; für die hessischen Landgrafen verkaufte er auch hessische Soldaten an in- und ausländische Kriegsherren und legte die gräflichen Vermögen gewinnbringend an. Durch die erfolgreiche Plazierung von Staatsanleihen stieg Mayer zu den vermögensten Bankiers Deutschlands auf und wurde zum Oberhofagenten des inzwischen zum Kurfürsten aufgestiegenen Wilhelm I.

Nach der französischen Besetzung von Kassel 1806 mußte Wilhelm fliehen, doch gelang es Mayer Rothschild dank seiner überregionalen Verbindungen, den größten Teil des kurfürstlichen Vermögens in Sicherheit zu bringen, vor allem nach England: Für den exilierten Kurfürsten kaufte er englische Staatsanleihen.

Die fünf Brüder
Die fünf Brüder
Schon 1797 hatte er seinen drittältesten Sohn Nathan nach Manchester als Repräsentanten gesandt; dies ermöglichte Mayer, die von Napoleon verhängte Kontinentalsperre Englands durch zwielichtige Transporte zwischen England und Europa zu umgehen; der Schmuggel von Goldbarren, die die englische Krone den gegen Frankreich kämpfenden europäischen Staaten als Subvention zukommen ließ, erwies sich als höchst riskant, jedoch auch für Rothschild profitabel.

1810 integrierte Mayer seine fünf Söhne mittels eines Gesellschaftervertrags in seine neue "Bank Mayer Amschel Rothschild & Söhne" und entsandte seinen jüngsten Sohn Jakob nach Paris. In seinem mehrere Generationen nachwirkenden Testament legte er fest, daß nur männliche Nachkommen Bankgeschäfte tätigen und nur Familienangehörige leitende Positionen der Bank einnehmen dürften . Zeit seines Lebens setzte sich Mayer Rothschild für die Emanzipation der (Frankfurter) Juden ein, für ihre Freizügigkeit und Erwerbsfreiheit. 1811, knapp vor seinem Tod, erreichte er die Erlassung des Emanzipationsediktes über die bürgerliche Rechtsgleichheit der Frankfurter Judengemeinde, dessen Realisierung allerdings noch jahrelange Kämpfe erfordern würde.

Salomon Rothschild (1774-1855) Sohn und Begründer der Wiener Linie#

Salomon Mayer Freiherr von Rothschild * 9.9.1774, Frankfurt am Main † 28.7.1855, Paris

Die Wiener Linie
Die Wiener Linie
Die napoleonischen Kriege boten für die Familie Rothschild über die Finanzierung der Armeen der kriegsführenden
Bankhaus Rothschild, ©Wien Museum
Bankhaus Rothschild
©Wien Museum
Staaten eine Möglichkeit für wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg und Geschäfte, die ertragreicher waren als das mühevolle Handeln mit Gütern. Nach 1815 versuchte die Familie, auch mit der österreichischen Regierung ins Geschäft zu kommen, was durch tatkräftige Hilfe des österreichischen Staatskanzlers Metternich und seines Beraters Friedrich von Gentz gelang: Rothschilds Finanzierung des maroden österreichischen Staatshaushaltes wurde immer bedeutender, sodaß ein Familienmitglied in Wien präsent sein mußte: Salomon, der zweitälteste Sohn Mayer Rothschilds, übersiedelte 1819 nach Wien und gründete 1820 die Bank S.M.v. Rothschild. Dieses Bankhaus, mit Sitz in der Renngasse 3, wurde zum wichtigsten Geldgeber des Staates und des österreichischen Adels - inclusive Metternichs selbst - und erlangte bis zur Revolution 1848 durch seine Anleihegeschäfte immer stärkeren politischen Einfluss. 1822 erhielten alle fünf Brüder den österreichischen erblichen Freiherrenstand.

Die Rothschildbank beeinflusste wesentlich die Industrialisierung in Österreich nach dem Vorbild Englands und finanzierte die ersten österreichischen Eisenbahnbauten . Salomon erkannte die Möglichkeiten des Eisenbahnzeitalters und bemühte sich um eine Konzession für die Errichtung und den Betrieb einer Bahnlinie, die Wien mit den Salzminen in Galizien

Kaiser Ferdinand Nordbahn
Kaiser Ferdinand Nordbahn
und dem mährischen Eisen- und Kohlerevier verbinden sollte. 1835 genehmigte Kaiser Ferdinand das Nordbahn-Projekt, das seinen Namen erhielt. 1839 wurde das erste längere Teilstück nach Brünn eröffnet, das letzte Teilstück bis nahe Krakau erst 1858. 1841 erwarb Salomon die Witkowitzer Eisenwerke (bei Ostrau), um den Eisenbahnbau unabhängig von Stahlimporten aus England zu machen.
Witkowitz
Witkowitz
Dieses Werk wurde zum größten Eisenproduzenten Österreich - Ungarns; das Stahlwerk ergänzte Rothschild durch den Erwerb von Kohlegruben, die Bahnlinie durch den Ausbau des österreichischen Lloyds, der den Verkehr mit Dampfschiffen von Triest über das Mittelmeer betrieb. 1843 wurde Salomon Freiherr von Rothschild der erste jüdische Ehrenbürger von Wien. Die Nordbahn erhielt ihre Krone durch den monumentalen Prachtbau des Wiener Nordbahnhofs, der 1865 fertiggestellt wurde, geziert mit einer Marmorstatue Salomon Rothschilds.

Der Kampf um lokale und regionale, auch grenzüberschreitende Eisenbahnkonzessionen mobilisierte die größten Bankhäuser Europas, führte zur Bildung von Konsortien und schließlich zur Gründung von Aktienbanken mit breiterer Kapitalbasis: Die Rothschilds

Salomon Baron Rothschild
Salomon Baron Rothschild
gründeten die Credit-Anstalt. Mit Hilfe dieser neuen und für die Monarchie bis 1918 wichtigsten Bank gelang es der Familie Rothschild, eine Reihe von Eisenbahnlinien in Mitteleuropa unter ihre Kontrolle zu bringen.

Ab Mitte der 1840er Jahre zeigte es sich, daß das von Metternich konstruierte und dirigierte politische Kongreßsystem an sein Ende gekommen war, Aufstände brachen aus, es ging ganz rasch: Am 14. März 1848 ergriff Metternich, wieder von Rothschild finanziell unterstützt, die Flucht. Die wachsende antijüdische Stimmung ließ Salomon im Juni Wien verlassen. Die Wiener Geschäfte überließ er seinem Sohn Anselm, er selbst kehrte nicht mehr zurück und starb 1855 in Paris. Sein Wiener Counterpart und Mentor Metternich überlebte ihn nur um vier Jahre, an seine politische Bedeutung vor 1848 hatte er nicht mehr anknüpfen können.

Anselm Rothschild (1803 – 1874) Der Enkel#

Anselm Salomon Freiherr von Rothschild +29.1.1803, Frankfurt +27.7.1874, Wien

Das enorme Volumen an Staatsanleihen zur Unterstützung für das Kaiserreich entwertete sich radikal während der revolutionären Periode von 1848 und brachte das Wiener Bankhaus an den Rand des Zusammenbruchs. Salomons Sohn Anselm wurde als Emissär der Gesamtfamilie nach Wien entsandt und fand ein unverantwortliches finanzielles Chaos vor, angerichtet durch seinen Vater. Doch blieb die Einheit des Hauses, die Concordia, erhalten: Das Londoner Haus entschied sich, Wien wie auch Paris und Frankfurt zu stützen. Anselm kam nunmehr die Aufgabe zu, als Krisenmanager die Sanierung des Wiener Hauses auch gegenüber seinem Vater durchzusetzen: Erfolgreich konnte er die Wiener Regierung dazu bringen, fällige Zahlungen um einige Jahre zu verlängern und umfangreiche Silberkäufe zur Stützung der Papiergelddeckung zu tätigen. Mit solchen erfolgreichen Aktionen legte er einen wesentlichen Grundstein für die Rettung der Wiener Niederlassung.

Nach dem Rückzug seines Vaters übernahm Anselm auch formal die Leitung des Wiener Bankhauses. Er gründete 1855, nach dem Vorbild der neuen französischen Aktienbank Crédit Mobilier, die "Credit- Anstalt für Handel und Gewerbe" als Aktienbank, an der seine Privatbank einen Großteil des Stammkapitals aufbrachte. Ab 1859 zog sich Anselm Rothschild schrittweise zurück und widmete sich verstärkt der neugegründeten Südbahngesellschaft.

Als Philanthrop beschloß er 1869, im Andenken an seinen verstorbenen Vater Salomon, mit seinem Privatvermögen in Wien für die israelitische Kultusgemeinde das Rothschild-Spital zu errichten; 61 europäische Spitäler wurden begutachtet, um zu gewährleisten, daß das Krankenhaus in Wien nach dem neuesten Stand der medizinischen Erkenntnisse ausgestattet werde. Die Wiener medizinische Fakultät entwickelte sich in der Folge zum weltweiten Zentrum von Forschung und Lehre. Als Kunstsammler schuf Anselm die Grundlage für die berühmte österreichische Rothschildsche Kunstsammlung. Gleich seinem Vater Salomon erhielt er 1847 das Ehrenbürgerrecht der Stadt Wien, 1861 wurde er von Kaiser Franz Joseph I. ins Herrenhaus des Reichsrates berufen.

Albert Rothschild (1844 -1911) Der Urenkel und seine Brüder#

Albert Salomon Freiherr von Rothschild *29.10.1844 Wien +11.2.1911 Wien

Nach Anselms Tod änderte sich die Familienpolitik der Rothschild-Häuser: Durch einen 1875 neu errichteten Gesellschaftervertrag und die Schließung des Hauses Neapel veränderten sich die Anteile der übrigen Häuser London, Paris, Frankfurt und Wien. Seitens der westeuropäischen Verwandtschaft bezweckte dieser Vertrag, dem engagierten Wiener Haus die Flügel zu stutzen: Die beiden älteren Söhne Nathaniel, geboren 1836, und Ferdinand James, geboren 1839, die ohne Interesse an der Bank nur als stille Teilhaber agierten, durften mit keiner geschäftsführenden Rolle bedacht werden, Albert, dem Jüngsten, sollte keine wichtigen Transaktionen ohne Konsultation der übrigen Häuser erlaubt sein.

Albert übernahm die Rothschild-Bank und die Stahlwerke Witkowitz sowie, als Mehrheitseigentümer, die Kontrolle der Credit- Anstalt, die er zur größten Bank Österreich-Ungarns machte; daneben kamen zahlreiche Grundbesitzungen in Niederösterreich . Er war mit großem Abstand der wohlhabendste Mann der Monarchie und nach 1900 der reichste Mann Europas.

Noch war Rothschild unersetzbar, doch sowohl die konservativ-katholische Länderbank , als auch der Staat mit seiner Postsparkasse wollten die Dominanz Alberts brechen und setzten seinem Imperium zu. Die lukrative Begebung von Staatsanleihen, die traditionell in den Händen des Rothschild-Konsortium gelegen war (Rothschildbank, Credit-Anstalt, Boden Credit Anstalt), ging langsam verloren, da auch der Staat regulierend eingriff. Die Okkupation von Bosnien 1878 war noch von Rothschild finanziert worden, wie auch der Übergang zum Goldstandard: Die schrittweise Entwertung und Schwankungen des Silberpreises machten in Europa den Übergang zur Goldwährung notwendig ,in Österreich vom Silbergulden zur Goldkrone bis 1900. Nur Rothschild konnte die notwendige Menge an Gold organisieren, dank seiner Partizipation an Minengesellschaften und seiner führenden Stellung im internationalen Goldhandel .

Soziale Forderungen wie auch antisemitische Strömungen steigerten und verbanden sich im politischen Bereich: Georg von Schönerer, Führer der Deutschnationalen Bewegung, Wiens bürgerlich-katholischer Bürgermeister Karl Lueger, Victor Adler, Begründer der österreichischen Sozialdemokratie, schürten das Feuer des antijüdischen Antikapitalismus. Der politische symbolische Kampf um die Verstaatlichung der in Rothschilds Hand befindlichen Nordbahn begann 1878 mit dem Sequestrationsgesetz, setzte sich mit jahrelangen parlamentarischen Debatten um Verlängerung des Bahn-Privilegs fort und wurde 1906 durch Luegers Zwangsverstaatlichung beendet.

Stiftung für Bettina
Stiftung für Bettina

Albert wurde als hochbegabter Finanztyrann angesehen, der seine Macht als Bankier im Hintergrund ausübte, sich jedoch seit 1880 aus dem Bankgeschäft zurückzog und seine Zeit mit aufwendigen Hobbys, wie Foto, Astronomie, und Jagen verbrachte. Er heiratete 1876, wie manche andere in seiner Familie, seine Nichte Bettina aus der Pariser Linie, die 1892 mit 34 Jahren an Krebs verstarb. Zu ihrem Andenken schuf Albert 1894 die Bettina Stiftung , "den kranken Frauen ohne Unterschied der Nationalität und Confession gewidmet, unentgeltlich Aufnahme und humane Pflege zu finden“ . Der weitläufige Pavillon auf dem Areal des Kaiserin Elisabeth Spitals in Wien Fünfhaus wurde 1898 eröffnet. Er ist einer der wenigen Bauwerke, die noch heute vom Wirken der Familie Rothschild Zeugnis abgeben.

Rothschilds Bautätigkeit #

Alberts Palais

Palais Rothschild in der Prinz Eugenstraße
Palais Rothschild in der Prinz Eugenstraße
Nach langem Zögern hatte Kaiser Franz Josef 1860 schließlich auch seinen jüdischen Untertanen die Grundbesitzfähigkeit zugestanden, was zu einem Run wohlhabender Juden auf die prestigeträchtigen Bauparzellen entlang der neuen Ringstraße führte. Die Rothschilds schlugen erst zu, als es im Gefolge der Weltwirtschaftskrise 1873 zu einem jähen Preissturz auf dem Immobiliensektor kam. Im Belvedere-Viertel, nach der Ringstraße der nobelsten Gegend in unmittelbarer Nähe zum kaiserlichen Hof, den Ministerien und der Börse, beauftragte Albert den berühmten französischen Architekten Hippolyte Destailleur mit dem Bau, zwischen 1878 und 1884, einer mächtigen Stadtresidenz, dem Palais Rothschild, verschwenderisch in seinen Dimensionen und respektgebietend – mit Elementen der französischen Architektur des klassischen Stils von Versailles.
Stiegenhaus
Stiegenhaus
Straßenseitig war es eine üppig dekorierte Festung mit hohen Zäunen, schweren Toren und mächtigen Mauern sowie einem großen Ehrenhof, gartenseitig zeigte sich ein Prachtbau - die Botschafterstiege von Versailles Ludwig des XIV. - der dem Regenten einer europäischen Großmacht zur Ehre gereicht hätte (Prinz Eugenstraße 20-22).

Nach einer wechselvollen Geschichte im und nach dem 2. Weltkrieg wurde das Palais Rotschild 1955 abgerissen, um einem Büro der Arbeiterkammer Wien Platz zu machen. Durch diese Zerstörung verlor Wien den einzigen Wohnpalast rein französischer Architektur des XVII. Jahrhunderts: In der Wiener Architektur des Historismus nahm dieses Palais eine außergewöhnliche und auf Grund seiner Fremdartigkeit beachtliche Stelle ein - wie ein Stück Paris inmitten der Miethäuser seiner Umgebung. Nach dem frühen Tod seiner Frau Bettina hatte Albert 1894 gleich daneben ein weiteres, kleineres Palais errichten lassen, das der Spitzhacke entkam und heute Brasilien als Botschaft dient.

Alberts Bruder Nataniel tat es ihm gleich und errichtete, ebenfalls im Belvedere-Viertel, (Theresianumgasse 16-18) ein Schloß im französischen Stil mit schmuckloser Straßenfront, doch einer grandiosen Freitreppe zum eleganten Garten. Dieses Gebäude teilte 1950 das Schicksal von Alberts Palais, wurde demoliert, wich einem Bürogebäude der Arbeiterkammer Wien . In Reichenau an der Rax, nahe von habsburgischen Villas, verwirklichte Nataniel eine Sommervilla im Stil eines Loireschlosses, das als Militärstiftung heute noch bestaunt werden kann.

Ihren BruderFerdinand zog es nach England, wo er seine Cousine Evelina aus dem Londoner Haus heiratete und in Buckinghamshire sein Schloß Weddesdon Manor, das größte aller Rothschildschlösser, durch der Architekten Destailleur bauen ließ.

Rothschild in der Schwerindustrie#

Albert verkaufte 1874 49 % seiner Anteilscheine der Witkowitzer Stahlwerke zur Finanzierung eines Sanierungs- und Investitionsprogramms an die Brüder Gutmann und schaffte erfolgreich den Einstieg in das lukrative Rüstungsgeschäft. Über die Credit- Anstalt kontrollierte Albert vor allem die Skoda Werke, die Schiffswerft Stabilimento Tecnico Triest, Arthur Krupp Berndorf und die Hirtenberger Patronenfabrik. Das erste österreichische Schlachtschiff, gebaut mit Witkowitzer Stahlplatten, wurde von Rothschild vorfinanziert! Die Zahl der Beschäftigten stieg in der Folge auf über 10 000.

Rothschild in der Forstwirtschaft#

Schon 1875 konnte Albert aus einer Konkursmasse die Walddomänen und Jagdreviere Waidhofen und Gaming mit 30 000 Hektar im
Gaming in der Langau
Gaming in der Langau
Ybbs- und Erlauftal erwerben und wurde mit einem Schlag größter Grundbesitzer in Niederösterreich. In Waidhofen an der Ybbs ließ er das verfallene Schloß 1885-87 durch den Dombaumeister Friedrich Schmidt, dem Erbauer des Wiener Rathauses, neugotisch renovieren und luxuriös modernisieren. Daneben wurden zwanzig Jagdhäuser und Jagdhütten errichtet, ein Ensemble im Schweizer Stil, gruppiert um das Herrschaftshaus in Langau, dem Lieblingsaufenthalt der Familie Rothschild . Nobler als alle Schlösser in der Umgebung, besaß es einen 15 Hektar großen Park als künstlich geschaffene Naturlandschaft; andererseits ließ Albert den nahen Rothwald von jeglicher Bewirtschaftung freihalten - er ist heute als Weltkulturerbe das einzige Urwaldgebiet Österreichs. Albert sorgte sich um die soziale Verbesserung der Forst-Angestellten, doch war ihm die Jagd im eigenen Revier wichtiger als die Holzgewinnung oder produktive Investitionen in lokale Sägewerke zur Holzverarbeitung.

Über Anti-Rothschild zum Antisemitismus
Antijüdische Wahlagitation
Antijüdische Wahlagitation
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Durch die konstitutionelle Entwicklung und das erweiterte Wahlrecht kam es auch in Österreich zur Bildung von Massenparteien, die jede auf ihre Art, ihren sozialen und wirtschaftlichen Forderungen und Ideologien lautstark zum Durchbruch verhelfen wollten. Deutschnationale, geführt von Georg von Schönerer, hetzten gegen den jüdischen allherrschenden Großkapitalismus (In Waidhofen an der Ybbs selbst faßten deutschnationale Burschenschaften den "Waidhofener Beschluß", um sein antisemitisches Programm umzusetzen); Christlichsoziale unter Bürgermeister Karl Lueger waren das Sammelbecken antiliberaler, bürgerlicher, konservativ-katholischer Kreise ; Victor Adler einigte die Arbeiterschaft in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, von Natur antikapitalistisch eingestellt - für all diese Strömungen waren die Jüdischen Rothschilds einladendes Feindbild, provozierend durch ihre sichtbare Dominanz als Arbeitgeber, Bahnbetreiber, Großgrundbesitzer, Kapitalisten, Fremde.

Symbolisch ging der politische Kampf um die Verstaatlichung der in Rothschilds Hand befindlichen Nordbahn, begann 1878 mit dem Sequestrationsgesetz, setzte sich mit jahrelangen parlamentarischen Debatten um Verlängerung des "jüdischen" Bahn-Privilegs fort und wurde 1906 durch Luegers Zwangsverstaatlichung entschieden. Doch diese Saat Rothschild-Antikapitalismus-Antisemitismus ging auf und trug wenige Jahrzehnte später zum Aufstieg des Nationalsozialismus bei.

Nathaniel Rothschild #

Nathaniel Mayer Freiherr von Rothschild *1836 Frankfurt/Main +1905 Wien
Nathaniel
Nathaniel

Anselms ältester Sohn, Nathaniel, war von der Unternehmungsleitung ausgeschlossen worden, war es auf Grund seiner bekannten Verschwendungssucht, seines wankelmütigen und unstabilen Charakters, seines Gehabens als schrulliger Hypochonder.

Schloß in Reichenau an der Rax
Schloß in Reichenau an der Rax
So pflegte er, ewiger Junggeselle, einen extravaganten Lebenswandel als Kunstsammler und Philanthrop, unermüdlich Reisender und Bauender. Neben seinem Stadtpalais in der Theresianumgasse ließ er das Schloß Enzesfeld restaurieren und baute ein Sommerschloß in Reichenau an der Rax. Auf der Wiener Hohen Warte ließ er einen üppigen Prachtgarten mit Glashäusern und einer Sommervilla anlegen, heute noch als Teil des Heiligenstädter Parks zu erahnen.

Nathaniel wurde durch seine wohltätigen Stiftungen berühmt, deren wichtigste das Neurologische Krankenhaus Rosenhügel (Nervenheilanstalt Rosenhügel) ist. Die Stiftungssumme von 20 Millionen Goldkronen ist sicher die größte Einzelspende, die jemals in Österreich gemacht worden war. Nathaniel hat das moderne Tennis nach Wien gebracht und gefördert und war 1894 Mitbegründer des "First Vienna Football Clubs", der bis heute die rothschildschen Wappenfarben Blau und Gelb trägt.

Louis Rothschild (1882 - 1955) Der Ur-Urenkel #

Louis Nathaniel Freiherr von Rothschild *5.3.1882 Wien +15.1.1955 Montego Bay,Jamaika

Louis beim Polotournier 1928, © Roman Sandgruber
Louis beim Polotournier 1928
© Roman Sandgruber
Die restriktive Heiratspolitik des Hauses Rothschild zeigte nun ihre negativen Folgen, es fehlte an fähigen Erben: Von den fünf Söhnen von Alfons war Georg, der Älteste, geisteskrank, Alfons, der Zweite, zur Leitung des Hauses ausersehen, wurde Altphilologe, liebte die Jagd und den Pferdesport und zeigte kein Interesse für den Bank- und Industriebetrieb. So übernahm der drittgeborene, Louis das väterliche Unternehmen. Als reichster Mann Europas ohne besondere geschäftliche Ambitionen war es sein Bestreben, finanzielle Macht und wirtschaftliche Besitz des Hauses zu erhalten und hielt sich im Hintergrund, um seinen vielfältigen sportlichen Interessen nachzugehen. Er besaß die Privatbank Rothschild und kontrollierte über die Wiener Credit-Anstalt zahllose , auch kriegswichtige Industrie betriebe. Während des ersten Weltkrieges verdiente Rothschild mit Stahl, Kohle Eisen und Buntmetallen, doch zeichnete die Familie auch enorme Summen an Kriegsanleihen.

Nach dem Zusammenbruch Österreich -Ungarns sagte der sozialistische Führer Otto Bauer: "Das alte Österreich wurde von der Dynastie Habsburg und der Dynastie Rothschild regiert, In der Republik blieb nur die Dynastie Rothschild übrig". Für die Rothschilds wurde es nun eng in der kleingeschrumpften Republik;

Hass gegen den jüdischen Kapitalisten
Hass gegen den jüdischen Kapitalisten
denn ihre Verwandten in London und Paris hatten sich kriegsbedingt abgewandt und Wien spielte keine Rolle als internationaler Finanzplatz mehr. Eine Völkerbund-Anleihe von 1922 sowie die Rückkehr zur Goldwährung 1925 leiteten eine Phase des wirtschaftlichen Neuaufbaus ein, doch die Konsolidierung des notleidenden Bankensektors forderte neue Opfer:

Louis, © Georg Fayer/ÖNB
Louis
© Georg Fayer/ÖNB
Die Boden-Credit-Anstalt, zweitgrößte Bank Österreichs und vom Konkurs bedroht, wurde 1929 von der "gesunden" Credit-Anstalt übernommen, nachdem Louis Rothschild als ihr Präsident und größter Aktionärs von der Regierung unter Druck gesetzt worden war. Doch die Credit-Anstalt litt unter ähnlichen strukturellen Problemen langjähriger leichtfertiger Geschäftsführung: Louis mußte am 11.Mai 1931 der Öffentlichkeit den drohenden Zusammenbruch der Credit-Anstalt bekanntgeben. Um ein Überschwappen der Krise auf Deutschland und Europa zu verhindern, wurde ein Internationales Komitee etabliert, welches eine Sanierung ausverhandelte: Rothschild verlor 100 Millionen Schilling und sein Aktienpaket der Bank, der Staat eine Milliarde , etwa ein halbes Jahresbudget. Noch im Herbst 1931 wurde Louis Rothschild wegen fahrlässiger Krida und Untreue angeklagt, doch nach hitzigen Debatten im Parlament und den Medien eingestellt; es gab kein Wiener Haus Rothschild mehr, Louis war nur mehr ein reicher Mann. Die Rothschildschen Grundbesitze in Waidhofen und Gaming wurden 1933 der Republik zur Deckung der Bankverluste überlassen.

Nationalsozialismus und Emigration#

Am 11.März 1938 verabschiedete sich Bundeskanzler Schuschnigg, Seyß-Inquart forderte deutsches Militär an, Hitler gab den offiziellen Einmarschbefehl. Wien war in Konfusion, wer sich retten konnte, rettete sich. Louis wartete noch, bis er seine beiden Nichten in der Schweiz in Sicherheit wußte - tags darauf wurde er auf dem Flughafen Aspern von der Gestapo verhaftet und später mit anderen wichtigen Gefangenen in das Hauptquartier der
Louis (links) mit christlich-sozialem Kunschak in den Händen der Gestapo
Louis (links) mit christlich-sozialem Kunschak in den Händen der Gestapo
Gestapo, das Hotel Metropol, gebracht.] Das Palais Rothschild wurde von Adolf Eichmann für seine berüchtigte "Zentralstelle für jüdische Auswanderung" requiriert, während Nathaniels Palais dem Sicherheitsdienst der SS als Bleibe diente. Auch alle übrigen Rothschilds Immobilien
Rothschild Mausoleum Wien
Rothschild Mausoleum Wien
wurden besetzt und ausgeraubt, die Mobilien verschleppt, Kunstschätze registriert und, soweit sie nicht aufgrund des Führervorbehalts für das von Hitler geplante Kunstmuseum Linz zu reservieren waren, an interessierte Institutionen verteilt.

Die Nationalsozialisten versuchten, Louis durch Einzelhaft psychisch willfährig zu machen; Stefan Zweig verarbeitete diese Gegebenheit in seinem Roman "Die Schachnovelle". In langwierigen Verhandlungen mit dem "Reichstreuhänder für die rothschildschen Vermögen" mußten die Brüder auf ihr gesamtes Vermögen in Österreich und Böhmen, Palais, Gärten, Wälder und Gemälde inbegriffen und die Privatbank verzichten - am 11. Mai 1939 durfte Louis endlich ausreisen.

An den Stahlwerken Witkowitz hatten die Wiener Rothschilds 68,1% der Anteile gehalten, die 1937 über Holland und die Schweiz rechtzeitig an die Londoner Holding Lionel Rothschilds transferiert worden waren. Hermann Göring wollte Witkowitz in seine Stahlwerke integrieren und zwang die Familie Rothschild, sein minimales Kaufangebot anzunehmen; kurz vor Unterzeichnung wurde jedoch Louis freigelassen. Nach der Besetzung von Paris fanden und beschlagnahmten die Deutschen eine Menge an Anteilscheinen und konnten nach der Besetzung der Tschechoslowakei endlich Witkowitz in den Reichswerkekonzern eingliedern, der sich im Lauf des Krieges zum größten europäischen Montankonzern entwickelte. Nach dem Ende des Krieges verstaatlichte die tschechische Regierung die Großindustrie entschädigungslos.

Über Chile kam Louis im Februar 1941 als Staatenloser in den USA an, erhielt 1946 die amerikanische Staatsangehörigkeit und ließ sich in Vermont nieder. Ab 1946 besucht er mit seiner Gattin Hilda von Auersperg öfters Europa und auch Österreich. Bei einem Badeunglück in Montego Bay am 15.November 1955 ertrank Louis und fand, seinem Testament gemäß, seine letzte Ruhestätte in der Familiengruft in der jüdischen Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs.

Epilog: Restitution und Erbe#

Nach 1945 gab es keinen Rothschild mehr, der die Energie gehabt hätte, die Wiener Familientradition fortzusetzen, die letzte Verwandte, Bettina Loora-Rothschild, Großnichte von Louis, starb 2012 in Langau. Die Restitutionsfrage beschäftigte die Justiz noch jahrelang. Die Stadtpalais waren zerstört und lagen überdies in der sowjetischen Besatzungszone; Louis verkaufte sein Palais um vier Millionen Schilling, seine Schwägerin Clarisse das Palais Nathaniel um drei Millionen, beide an die Arbeiterkammer Wien, die dort gesichtslose Bürogebäude hochzog. Die Kunstkollektionen von Louis und Alfons mußten erst mühevoll in den einzelnen Bundessammlungen eruiert und gemäß dem Ersten Kunstrückstellungsgesetz 1947 in separaten Rückstellungsanträgen zur Ausfuhr erbeten werden. Einige Sammlungen machten jedoch ihre Zustimmung und die des Bundesdenkmalamtes abhängig von "freiwilligen Widmungen" der Eigentümer, was einer zweiten Enteignung gleichkam. Erst durch das beispielhafte Kunstrückgabegesetz 1998 wurden die österreichischen Sammlungen verpflichtet, den Erben insgesamt 261 weitere Kunstobjekte auszufolgen.

Die Archive der Familie Rothschild waren 1926, nach der Schließung der Niederlassung Frankfurt, nach Wien transferiert worden. Von der SS 1938 geraubt und verschleppt, tauchten sie 1945 in Moskau auf und wurden im Jahr 2001 der Londoner Familie übergeben.

Was bleibt von den Rothschilds ? #

Ihnen verdankt Österreich großteils seine Modernisierung und Industrialisierung sowie großzügige Sozialeinrichtungen,
Rothschilds Nebengebäude
Rothschilds Nebengebäude
doch blieb, neben dem unauslöschlichen Nimbus des Namens "Rothschild", dies teilweise auch dank der Existenz der Rothschilds in London, sehr wenig:
    • Das Nebengebäude des Palais Rothschild (Botschaft von Brasilien); der berühmte Goldene Saal des Palais ist eingebaut in eine Tanzschule in Hernals
    • Büste Nathaniels im Krankenhaus Rosenhügel, seiner Stiftung
    • Bettina-Pavillon des Kaiserin Elisabeth Spitals, gestiftet von Albert
    • Statue Salomons, ehemals vor seinem Nordbahnhof, jetzt im Jüdischen Museum;"Rothschildplatz" auf dem Gelände des ehemaligen Nordbahnhofs
    • Pförtnerhaus der ehemaligen Rothschildgärten auf der Hohen Warte
    • Das historische Bankhaus der Familie in der Renngasse 3, vom Architekten Ludwig Förster 1847 errichtet, wurde 1951 von der Schöllerbank gekauft.
    • Israelisches Blindeninstitut, von Anselm gestiftet, beherbergt das Polizeikommissariat Döbling
    • Grabmal der Rothschilds auf dem Wiener Zentralfriedhof
    • Rothschild Palais in Reichenau an der Rax, gehört der Vereinigten altösterreichischen Militärstiftung
    • Schloß Waidhofen an der Ybbs wurde restauriert und mit einem modernen Turm versehen von Architekt Hollein
    • Urwald Rothwald, Weltkulturerbe
    • Privat: Schloß Enzesfeld; Domäne Langau mit Jagdvillen, Lieblingsaufenthalt der Familie; Jagdhaus in Atschreith
    • Eisenwerke Witkowitz: Stillgelegte Industrieruine als Europäisches Kulturerbe

Weiterführendes#

  • Roman Sandgruber: Rothschild, Glanz und Untergang des Wiener Welthauses, mit umfangreichem Literatur- und Quellenverzeichnis, Molden Verlag 2020
  • Jüdisches Museum Wien: Die Wiener Rothschilds- Ein Krimi, Amalthea Verlag
  • Felicitas Kunth: Die Rothschild'schen Gemäldesammlungen in Wien, Böhlau Verlag 2006
  • Frederic Morton: Die Rothschilds, Portrait einer Dynastie, Wien 2006
  • Egon C.C.Corti: Das Haus Rothschild, Leipzig 1928
  • Georg Miller-Aichholz:Das Palais Albert Rothschild in Wien und sein Architekt Hippolyte Destailleur, Wien Univ.dipl.arb.2006
  • Der Verfasser dankt dem Jüdischen Museum Wien für die freundliche Genehmigung zur Nutzung seines reichhaltigen, bebilderten Ausstellungskataloges mit 23 Einzelbeiträgen; der Katalog schöpft, wie auch der Verfasser, aus dem magistralen Werk von Univ.Professor Roman Sandgruber.
  • Gestaltung: Kurt Hengl