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vom 06.02.2022, aktuelle Version,

Louis Nathaniel von Rothschild

Louis Nathaniel Freiherr von Rothschild (* 5. März 1882 in Wien; † 15. Jänner 1955 in Montego Bay, Jamaika) war der letzte bedeutende Vertreter des Wiener Zweigs der Bankiersfamilie.

Louis Nathaniel von Rothschild (Aufnahme von Georg Fayer um 1930)

Leben

Louis Nathaniel von Rothschild war der Sohn von Albert Salomon Anselm von Rothschild und Bettina Caroline von Rothschild (1858–1892); seine früh verstorbene Mutter, eine Tochter von Alphonse de Rothschild, entstammte dem französischen Zweig der Bankiersfamilie. Nach dem Tod seines Vaters im Jahre 1911, der ihm die alleinige Geschäftsführung übertragen hatte,[1] leitete Louis von Rothschild das Privatbankhaus S. M. v. Rothschild in Wien und kontrollierte als Hauptaktionär die Creditanstalt, die größte Bank Österreichs.

Nach dem Aussterben der Frankfurter Linie übernahm er auch Verantwortung für einen großen Teil der internationalen Aktivitäten des Hauses Rothschild.

Angesichts der katastrophalen wirtschaftlichen Lage des kleiner gewordenen Österreichs nach 1918 und der Überbesetzung des Bankenapparats geriet auch die Creditanstalt mit ihrem bedeutenden Industriekonzern in zunächst latente Schwierigkeiten. Die Lage wurde noch dadurch erschwert, dass Bundeskanzler Johann Schober im Oktober 1929 von Rothschild ultimativ forderte, die in einer massiven Krise befindliche Bodencreditanstalt zu übernehmen. Rothschild gab nach, in der Folge kam es aber am Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise im Frühjahr 1931 zum Zusammenbruch der Creditanstalt, der schwerwiegende Auswirkungen auf das internationale Finanzsystem hatte. Rothschild leistete einen namhaften Beitrag, die größte Bank Österreichs musste aber im Wesentlichen mit Staatsgeldern saniert werden und befand sich im März 1938 somit mehrheitlich im Besitz des Bundes.

Creditanstalt

Nach dem Anschluss Österreichs im März 1938 strebte das Reichswirtschaftsministerium (RWM) die sogenannte "Arisierung" des dortigen Bankwesens an. Am Tag des Anschlusses wurde Rothschild von der SS am Flughafen Aspern verhaftet. Seine Brüder waren durch glücklichen Zufall schon vorher in London und Paris.[2] Zuerst wurde er im Keller des Polizeigebäudes an der Roßauer Lände gefangen gehalten und etwas später ins Gestapo-Hauptquartier im Hotel Métropole am Morzinplatz verlegt, wo er 14 Monate in Isolationshaft saß. Der Historiker Roman Sandgruber nimmt an, dass dieses Schicksal Rothschilds dem Schriftsteller Stefan Zweig als Vorlage für sein letztes Werk Schachnovelle gedient habe.[1] Rothschild wurde in den Arisierungsverhandlungen der Reichswerke Hermann Göring um den Verkauf der Witkowitzer Eisenwerke als Geisel genutzt.[3] Er wurde erst am 11. Mai 1939 – nach Preisgabe des gesamten österreichischen Familienbesitzes – freigelassen.[1]

Im März 1938 verhandelte Hermann Abs in Begleitung von Walter Pohle, einem ehemaligen Mitarbeiter des RWM, über die beabsichtigte Übernahme der Creditanstalt. Die Aktienmehrheit an der Bank ging zuerst in eine Holdinggesellschaft des Deutschen Reiches und anschließend an die Deutsche Bank. Führende Kraft im Vorstand blieb Josef Joham, der unter der wohlwollenden Patronanz von Abs die 1918 verloren gegangene Rolle der CA in den Ländern Südosteuropas wiederherstellen wollte und den Industriekonzern der Bank vor Übernahmegelüsten aus dem „Altreich“ möglichst intakt zu halten versuchte. Unter der Herrschaft des NS-Regimes unterhielt die Bank Geschäftsbeziehungen zu mindestens 13 Konzentrationslagern (KZ), von denen die Bank regelmäßig Todeslisten – auch vom KZ Auschwitz – erhielt und Wucher­gebühren für Geldüberweisungen von Angehörigen an KZ-Häftlinge berechnete.[4] Auch bei der „Arisierung“ der Sascha-Filmindustrie spielte die Creditanstalt eine tragende Rolle. Sie übernahm das politisch bedrängte Unternehmen zu einem unrealistisch niedrigen Wert von damals 1000 Schilling und übergab die Anteile in der Folge an die Cautio Treuhand, ein von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels gesteuertes Unternehmen.

In das Palais Albert Rothschild in der Prinz-Eugen-Straße in Wien zog die „Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien“ von Adolf Eichmann ein. Im Palais von Louis Rothschilds Bruder Alphonse (1878–1942) in der benachbarten Theresianumgasse war der Geheimdienst Sicherheitsdienst des Reichsführers SS untergebracht.[1][5]

Das Privatbankhaus S. M. v. Rothschild wurde zunächst durch das Österreichische Credit-Institut, ab Juli 1938 durch das Münchner Bankhaus Merck Finck & Co kommissarisch verwaltet. 1940 wurde das Bankhaus S. M. v. Rothschild dann im Rahmen der Arisierung jüdischen Eigentums durch das in Wien neugegründete Bankhaus E. v. Nicolai übernommen, an dem wiederum die Bank Merck Finck & Co mit 71 Prozent und die Deutsche Industrie Bank aus Düsseldorf mit 19 Prozent beteiligt waren.

Rothschild emigrierte in die USA und verbrachte den Rest seines Lebens großteils auf Reisen. Er heiratete 1946 Hildegard Johanna von Auersperg (1895–1981). Die Ehe blieb kinderlos. Rothschild starb 1955 auf einer dieser Reisen in Jamaika.

Nach 1945

Der Banksitz wurde nach dem Krieg an Schöller & Co. (später Schoellerbank) verkauft. Das Privatpalais wurde an die Arbeiterkammer übereignet. Es wurde 1955 – am Tag der Beerdigung Rothschilds auf dem Wiener Zentralfriedhof gesprengt.[1]

In insgesamt acht Rückstellungsverfahren nach dem Zweiten Weltkrieg erhielten Louis Rothschild beziehungsweise seine Familienangehörigen ein paar Werte aus seinem früheren Eigentum zurück. Louis Rothschild bekam einen kleinen Teil des Bankvermögens erstattet, er verzichtete jedoch darauf, das Bankhaus S. M. von Rothschild wieder zu errichten. Die Kunstsammlung der Familie, die 1938 beschlagnahmt und über mehrere Museen im ganzen Land verteilt wurde, blieb jedoch bis 1999 im Besitz der Republik Österreich. Erst nach der Washingtoner Erklärung von 1998 und dem daraus folgenden Restitutionsgesetz wurden an die Erben 250 Kunstwerke, darunter 31 Gemälde, zurückgegeben. Für die Ausfuhrerlaubnis musste die Familie allerdings ausgewählte Gemälde der Republik schenken.[1][6]

Literatur

  • Thomas Trenkler: Der Fall Rothschild – Chronik einer Enteignung. Molden Verlag, Wien 1999.
  • Peter Melichar: Neuordnung im Bankwesen. Die NS-Maßnahmen und die Problematik der Restitution (= Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. 11). Wien/ München 2004, S. 391–408. (Falldarstellung: S. M. v. Rothschild mit weiterer Literatur)
  • Roman Sandgruber: Rothschild. Glanz und Untergang des Wiener Welthauses.[7] Molden Verlag, Wien 2018.
Commons: Louis Nathaniel von Rothschild  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 4 5 6 Christa Zöchling: Mythos Rothschild: Der märchenhafte Aufstieg eines Ghettojuden. In: profil.at. profil Nachrichtenmagazin, 13. Oktober 2018, abgerufen am 28. November 2018.
  2. christa.zoechling: Mythos Rothschild: Der märchenhafte Aufstieg eines Ghettojuden. 13. Oktober 2018, abgerufen am 6. Februar 2022.
  3. Raul Hilberg: Die Vernichtung der europäischen Juden. Band 1, Fischer Verlag 1982, ISBN 3-596-24417-X, S. 107 ff.
  4. dies geht aus Archiven der Deutsche Bank hervor
  5. Rothschildpalais (4, Theresianumgasse) im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
  6. Michael Dorrmann: Der Raub an Louis von Rothschild. In: Inka Bertz, Michael Dorrmann (Hrsg.): Raubkunst und Restitution. Kulturgut aus jüdischem Besitz von 1933 bis heute. Herausgegeben im Auftrag des Jüdischen Museums Berlin und des Jüdischen Museums Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-8353-0361-4, S. 121 ff.
  7. Warum Rothschild heute noch ein Reizwort ist - derStandard.at. Abgerufen am 1. Februar 2021 (österreichisches Deutsch).

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Louis Freiherr von Rothschild (1882–1955), der letzte bedeutende Vertreter des Wiener Zweigs der Familie Rothschild. ÖNB, Bildarchiv Austria , Inventarnummer NB 529374-B ( https://www.bildarchivaustria.at/Pages/ImageDetail.aspx?p_iBildID=12995689 ) Georg Fayer
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Datei:Louis Freiherr von Rothschild (1882–1955) ~1930 © Georg Fayer (1892–1950) OeNB 12995689.jpg
Palais Louis Rothschild bzw. Palais Albert Rothschild, 1040 Wien. Die Bühne, 8. Jahrgang, Nr. 308, Juli 1931 (Wien) Otto Skall
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