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vom 24.03.2020, aktuelle Version,

Ehlers-Danlos-Syndrom

Klassifikation nach ICD-10
Q79.6 Ehlers-Danlos-Syndrom
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Das Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) ist eine heterogene Gruppe von angeborenen Störungen im Bindegewebe, die hauptsächlich durch eine Überdehnbarkeit der Haut und durch überbewegliche Gelenke gekennzeichnet ist. Sie beeinflusst aber auch Gefäße, Muskeln, Bänder, Sehnen und innere Organe.

Bisher sind 19 Genmutationen bekannt, die EDS auslösen.[1] Die verschiedenen Mutationen führen zu einer Veränderung der Struktur, der Produktion oder der Verarbeitung von Kollagen oder von Proteinen, die mit Kollagen interagieren.[1] Die Häufigkeit des Auftretens in der Bevölkerung wird mit 1:5.000 bis 1:10.000 angenommen, somit handelt es sich bei EDS um eine seltene Erkrankung.[2] Es gibt keine Unterschiede im Auftreten zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen oder den Geschlechtern.

Überdehnbare Haut an der Hand
Überdehnbare Haut am Hals

Geschichte

Das Syndrom ist eine der ältesten bekannten Ursachen von Ergüssen und Blutungen, die schon von Hippokrates 400 v. Chr. erkannt wurden.[3] Eine erste Fallanalyse mit abnormer Hautelastizität eines spanischen Mannes ist durch den niederländischen Chirurgen Job Janzoon von Meerkerin aus dem Jahre 1668 bekannt.[4] Die erste umfassende Beschreibung des Syndroms mit seinen vielen Facetten (Haut, Gelenke, Narben usw.) entstand 1891 durch den russischen Dermatologen Tschernogubow.[5] Das isolierte Zarenreich verhinderte jedoch das allgemeine Bekanntwerden der Studie, sodass Edvard Ehlers mit der Beschreibung der wesentlichen Zusammenhänge 1901 als Cutis laxa[6] und Henri-Alexandre Danlos 1908 mit dem Vorschlag, die Überdehnbarkeit und Zerreißbarkeit der Haut als Kardinalsymptome zu benennen[7], die Namensgeber des Syndroms wurden.

Andere vorwiegend veraltete Bezeichnungen des EDS waren:

  • Ehlers-Danlos-Meekeren-Syndrom, Meekeren-Ehlers-Danlos-Syndrom, Van-Meekeren-Syndrom
  • Danlos-Syndrom
  • Fibrodysplasia elastica generalisata, Cutis hyperelastica
  • Dermatolyse
  • Gummihaut, Indian rubber skin
  • Tschernogubow-Syndrom
  • Sack-Barabas-Syndrom

Klassifikation

Eine EDS-Klassifikation wurde ab den späten 1960er Jahren versucht. 1986 definierte man dann zehn Typen, die 1988 anlässlich einer Konferenz in Berlin veröffentlicht wurden. Mit fortschreitenden Erkenntnissen auf molekularem und biochemischem Gebiet wurde 1997 EDS neu unterteilt. Die Villefranche-Klassifikation diente einer klinisch-vereinfachten Diagnostik des Ehlers-Danlos Syndroms und zur Abgrenzung von Erkrankungen, die mit dem EDS überlappen (siehe Tabelle).[8] Es ließ sich nun die Krankheit durch sechs Typen mit ihren Haupt- und Nebenkriterien beschreiben. Darüber wurden weitere andere, exotische Formen von EDS in Einzelfällen identifiziert. Seit 2017 wird die Villefranche-Klassifikation durch die neuen Diagnosekriterien abgelöst.[9] Die Kriterien wurden vollständig überarbeitet und aktualisiert und unterscheiden nun in 13 Typen. Folgende Beschwerdebilder werden nach den neuen Diagnosekriterien nicht mehr dem EDS Spektrum zugeordnet: Okzipitalhorn-Syndrom, Fibronectin-Mangel (EDS Typ X), familiäres Hypermobilitätssyndrom (EDS Typ XI), X-linked EDS (EDS Typ V) und Filamin A EDS.[10]

Es besteht eine große Variabilität und Überlappung in den Symptomen zwischen den einzelnen Typen. Eine eindeutige Klassifizierung ist somit nur anhand klinischer Diagnostik und genetischen Tests bzw. Hautbiopsien möglich.

Die auslösenden Mutationen wurden identifiziert.[10] Einzig beim hypermobilen Typ ist das auslösende Gen noch nicht bekannt.[11]

Neue Diagnosekriterien 2017

Zeitgleich mit der Veröffentlichung von 18 Artikeln zu den Subtypen des Ehlers-Danlos-Syndroms im American Journal of Medical Genetics wurden im März 2017 auch neue Diagnosekriterien veröffentlicht. Diese sind weitaus umfassender und spezifischer als die vorherigen Villefranche-Kriterien. Ein internationales Komitee hat in verschiedenen Arbeitsgruppen die Erfahrungen der klinischen Untersuchungen und die Ergebnisse genetischer Studien zusammengeführt, auch um die Sensibilität der Ärzte für dieses Krankheitsbild zu verbessern und durch länderübergreifende Kriterien die Diagnostik und somit die Versorgung der Patienten zu verbessern. Dafür sollen neben den konkreteren Möglichkeiten zur Diagnostik auch Richtlinien zur Behandlung erarbeitet werden.

Die neuen Diagnosekriterien lösen die Villefranche-Klassifikation ab. Es wird nun in 13 Typen unterschieden.

Die Unterscheidung nach EDS-Typen

Hypermobiles EDS (hEDS, früher Typ 3): Die genetische Ursache ist bisher nicht bekannt. Die Diagnose wird nach eingehender Untersuchung klinisch gestellt.[12] hEDS zeichnet sich vor allem durch eine Hypermobilität großer und kleiner Gelenke aus. Subluxationen und Luxationen können regelmäßig vorkommen. hEDS Betroffene leiden oft unter Gelenkinstabilitäten und weisen häufig eine weiche, samtige Haut auf, die leicht verletzlich sein kann.[13] Sehr häufig leiden Patienten unter chronischen Schmerzen. Die Ausprägung kann mäßig bis sehr stark sein. Rund 90 % der EDS Betroffenen weisen chronische Schmerzen auf, wobei die höchsten Schmerz-Scores bei hEDS Patienten gefunden wurden.[14]

Klassisches EDS (cEDS, früher Typ 1 und 2): Die genetische Ursache für diesen EDS Typ findet sich zu rund 90 % in den Genen COL5A2 und COL5A. Selten liegen Mutationen in COL1A1 vor.[15] Major Kriterien sind eine extrem elastische Haut, die fragil und leicht verletzlich ist, atrophische Narbenbildung und eine allgemeine Gelenkhypermobilität. Daneben gibt es neun "Minor"-Kriterien, wie samtige Haut, Muskelhypotonie oder Pseudotumore.[16]

Vaskuläres EDS (vEDS, früher Typ 4): Die genetische Ursache lässt sich in Variationen des COL3A1 Gens lokalisieren. Es gibt fünf Major Kriterien und 12 "Minor"-Kriterien, die einen klinischen Anhalt auf vEDS geben. Patienten weisen häufig eine dünne, durchscheinende Haut auf, die sehr fragil und leicht verletzlich ist. Adern und Organe sind ebenso leicht verletzlich. Die Gelenke sind überbeweglich, meist handelt es sich dabei um kleine Gelenke wie Finger oder Zehen. Klumpfüße oder Bänder- und Muskelrisse können auftreten. vEDS ist lebensbedrohlich, im Median werden Betroffene 51 Jahre alt. Die Lebensspanne ist dabei weit und reicht von rund 10 bis ungefähr 80 Jahre. Häufigste Todesursache sind arterielle Dissektionen oder Rupturen.[17]

Kyphoskoliotisches EDS (kEDS, früher Typ 6): Auslösend sind Varianten im Gen PLOD1, seltener im FKBP 14 Gen. Major Kriterien sind angeborene Muskelhypertonie, angeborene oder früh einsetzende Kyphoskoliose und eine generalisierte Hypermobilität mit (Sub-)Luxationen. Hinzu kommen Minorkriterien. Die Kyphoskoliose ist meist schwerwiegend und progressiv. Weitere Symptome können eine weiche, teigige Haut, atrophische Narbenbildung und schlechte Wundheilung umfassen.[15]

Arthrochalasie EDS (aEDS, früher Typ 7 A und B): aEDS wird durch Mutationen in den Genen COL1A1 und COL1A2 verursacht. Derzeit sind rund 30 Fälle bekannt. Betroffene leiden unter ausgeprägter Gelenkhypermobilität und angeborener, bilateraler Hüftluxation. Hinzukommen (Sub-)Luxationen der großen und kleinen Gelenke, Fußdeformitäten und Skoliose, Lordose und Kyphoskoliose können auftreten. Die Haut kann überdehnbar, samtig und leicht verletzlich sein.[15]

Dermatosparaxis EDS (früher Typ 7C): Mutationen im ADAMTS2-Gen lösen dEDS aus. Symptome umfassen eine extrem fragile Haut, die schnell Narben bildet. Die Haut ist lose und überschüssig vorhanden. Die Gelenküberbeweglichkeit reicht von mild ausgeprägt hin zu schwerwiegend. dEDS ist sehr selten – bisher sind rund zehn Fälle bekannt.[15]

Brittle cornea Syndrom (BCS): BCS tritt in zwei Typen auf. Variante 1 entsteht durch eine Mutation im ZNF469 Gen, Variante 2 durch eine Mutation im PRDM5 Gen. BCS ist durch eine voranschreitende Verdünnung der Hornhaut des Auges charakterisiert. Früh können ein Keratoglobus oder Keratokonus auftreten, sowie Kurzsichtigkeit, Hörverlust und blaue Skleren. Klassische EDS Symptome, wie überbewegliche Gelenke und überdehnbare Haut werden häufig beobachtet.[15]

Classical-like EDS (clEDS): Mutationen im TNXB Gen führen zu clEDS. Die Haut ist meist überdehnbar und samtig, weist aber keine atrophische Narbenbildung auf. Häufig liegt eine allgemeine Gelenkshypermobilität vor, (Sub-)Luxationen können auftreten, vor allem sind die Schultern und Fußgelenke betroffen.[15]

Spondylodysplastisches EDS (spEDS): spEDS wird ausgelöst durch Mutationen in den Genen B4GALT7, B3GALT6 und SLC39A13. Betroffene sind häufig klein und weisen eine Muskelhypotonie auf.[15]

Muskulocontrakturelles EDS (mcEDS): Auslösend für mcEDS sind Mutationen in den Genen CHST14 und DSE. Charakteristisch ist eine Hautüberdehnbarkeit, eine erhöhte Hautverletzlichkeit, atrophische Narbenbildung und eine erhöhte Faltenbildung in den Handflächen. mcEDS führt zu angeborenen Kontrakturen.[15]

Myopathisches EDS (mEDS): Mutationen im COL12A1 Gen führen zu mEDS. mEDS Betroffene leiden an einer angeborenen Muskelhypotonie und/oder an Muskelatrophie, die mit zunehmendem Alter fortschreitet. Proximale Gelenkkontrakturen und eine Gelenkhypermobilität distaler Gelenke können auftreten.[15]

Periodontales EDS (pEDS): pEDS wird durch Mutationen im C1R Gen ausgelöst. pEDS führt zu schwerwiegender, hartnäckiger Parodontitis, die bereits in der Kindheit oder im Jugendalter auftritt. Das Zahnfleisch liegt oft nicht ausreichend am Zahn an.[15]

Kardio-valvuläres EDS (cvEDS): COL1A2-Mutationen können zu cvEDS führen. Schwerwiegend fortschreitende kardio-valvuläre Symptome, wie an der Mitralklappe, und eine überdehnbare, leicht verletzliche Haut, die zu atrophischer Narbenbildung neigt, charakterisieren cvEDS. Außerdem tritt eine Gelenkhypermobilität auf, die entweder generalisiert oder auf die kleinen Gelenke begrenzt sein kann.[15]

Die Unterscheidung nach Gruppen

Die EDS-Typen können auch nach Gruppen sortiert werden. Die Einordnung erfolgt in diesem Fall nach Gemeinsamkeiten der auslösenden Gene.[18]

Gruppe A: Störungen der Kollagenprimärstruktur und der Kollagenverarbeitung, dies umfasst cEDS, vEDS, aEDS, dEDS und cvEDS.

Gruppe B: Störungen der Kollagenfaltung und des Kollagen crosslinking, dies umfasst kEDS-PLOD1 und kEDS-FKB14.

Gruppe C: Störungen der Struktur und der Funktion der Myomatrix, dies umfasst clEDS und mEDS.

Gruppe D: Störungen der glycosaminoglycan Biosynthese, dies umfasst spEDS-B4GALT7, spEDS-b3GALT6, mcEDS-CHST14 und mcEDS-DSE.

Gruppe E: Defekte im Komplementsystem, dies umfasst pEDS.

Gruppe F: Störungen von intrazellulären Prozessen, dies umfasst spEDS-SLC39A13 und BCS.

Gruppe G: Derzeit ungeklärt, dies umfasst hEDS.

Frühere Klassifikation nach „Villefranche“ Frühere „Berlin“-Klassifikation bekannte Gene ("Villefranche" Klassifikation) Charakteristika
Klassischer Typ EDS Typ I (gravis) und Typ II (mitis) COL5A1/COL5A2- und COL1A1-Mutationen stark überdehnbare und leicht verletzbare Haut; Hämatomneigung; abnorme Wundheilung; Überbeweglichkeit der Gelenke; innere Organe und Gefäße mit betroffen (Symptome bei Typ II wie bei Typ I, nur geringer ausgeprägt)[19] (Autosomal-dominanter Erbgang)[20] Gorlin-Zeichen, mit der Zunge kann die Nase berührt werden.[21]
Hypermobiler Typ Hypermobil – EDS Typ III[22] COL5A3,[23] TNXB;[24] <5 % Tenaskin-X-Mangel, COL3A1 nur leicht überdehnbare, seidige Haut; ausgeprägte Überbeweglichkeit der Gelenke; häufige (Sub-) Luxationen der Gelenke, Sehnenentzündungen, Bandscheibenvorfälle etc.; chronische Glieder- und Gelenkschmerzen, Familienhistorie (Autosomal-dominanter Erbgang)[25] Umgekehrtes-Namaskar-Zeichen, Innenhandflächen können hinter dem Rücken gegeneinander gedrückt werden.[26][27]
Vaskulärer Typ Arterielle Form – EDS Typ IV COL3A1[28] dünne, durchscheinende Haut; ausgeprägte Hämatomneigung; Überbeweglichkeit der kleinen Gelenke; Beteiligung der inneren Organe und Gefäße; spontane Ruptur von Arterien und Gefäßen, Aneurysmen (Autosomal-dominante Vererbung)[29][30]
Kyphoskoliose Typ Okular-Skoliose – EDS Typ VI PLOD1 Überdehnbarkeit der Haut mittel bis stark; abnorme Wundheilung; starke Überbeweglichkeit der Gelenke; Augenbeteiligung; Beteiligung der inneren Organe, veraltete Bezeichnung: Nevo-Syndrom[31][32][33] (Autosomal-rezessive Vererbung)[20]
Arthrochalasie Typ Arthrochalasie multiplex – EDS Typen VIIA und VIIB COL1A1/COL1A2, teilweises o. komplettes Fehlen von exon 6 Überdehnbarkeit der Haut (gering bis mittel), dünne Haut, Hüftluxation, ausgeprägte Überbeweglichkeit der Gelenke (Autosomal-rezessive Vererbung)[20]
Dermatosparaxis Typ Dermatosparaxis – EDS Typ VIIC COL1 pNPI Mutation Haut sehr schlaff, deutliche Überbeweglichkeit der Gelenke, Beteiligung der inneren Organe (Autosomal-rezessive Vererbung)[20]
Andere, exotische Formen X-linked EDS – EDS Typ V (X-gebunden-rezessive Vererbung)[20]
Periodontitis Typ – EDS Typ VIII (Autosomal-dominanter Erbgang)[20]
Familiäres Hypermobilitätssyndrom – EDS Typ XI
Fibronectin-deficient Typ – EDS Typ X (Autosomal-rezessive Vererbung)[20]
Progeroid EDS B3GALT6 Mutation[34]
Nichtspezifische Formen

Krankheitshäufigkeit

Überbewegliche Zehen und Daumen – Hypermobiler Typ

Eine Krankheit oder Erkrankung wird in Europa als selten definiert, wenn weniger als einer von zweitausend Menschen von ihr betroffen ist. EDS als Gruppe ist mit einer Rate von 1:5.000 bis ca. 1:10.000 eine der seltenen Krankheiten.[35]

Beim klassischen Typ von EDS wird das Vorkommen mit ca. 1:25.000 geschätzt.[36] Der hypermobile Typ von EDS ist mit einer geschätzten Häufigkeit von 1:10.000 die am häufigsten auftretende Art von EDS.[37] Beim vaskulären Typ wird mit einem Auftreten von 1:50.000 gerechnet.[38] Die anderen Typen von EDS sind noch seltener und treten nur vereinzelt auf (weniger als hundert bekannte Fälle pro Typ weltweit).

Das klassische (cEDS), das hypermobile (hEDS), das vaskuläre (vEDS), das arthrochalasie (aEDS) und das periodontale (pEDS) Ehlers-Danlos-Syndrom sind autosomal-dominant vererbbar, was bedeutet, dass ein Kind eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit auf Vererbung hat, wenn ein Elternteil diese Krankheit hat. Die anderen Ehlers-Danlos-Syndrome (clEDS, cvEDS, dEDS, kEDS, BCS, spEDS, mcEDS) sind autosomal-rezessiv vererbbar. Deren Kinder können nur die Krankheit erben, wenn beide Eltern diesen Gendefekt aufweisen. Das myopathische EDS (mEDS) kann sowohl autosomal-dominant, als auch autosomal-rezessiv vererbt werden. Jedes Ehlers-Danlos-Syndrom hat eine eigene Fehlbildung, das heißt, dass Betroffene nur das EDS weitervererben können, an dem sie selbst erkrankt sind. Ein Betroffener mit vaskulärem EDS kann seinem Kind so z. B. kein klassisches EDS vererben. Jedes der Ehlers-Danlos-Syndrome kann auch de novo, also durch eine Neumutation, hervorgerufen werden.[39]

Es wird darauf hingewiesen, dass alle Häufigkeitszahlen reine Hypothesen sind. Sie stützen sich nur auf registrierte Fälle. Zurzeit sind in Deutschland etwa 5.000 Menschen mit EDS bekannt,[40] es wird jedoch mit einer hohen Dunkelziffer gerechnet.

Diagnostik und Symptomatik

Überbewegliche Fingergrundgelenke – Hypermobiler Typ

Die EDS-Diagnostik beginnt zunächst mit einer eingehenden ärztlichen Untersuchung. Hierbei sollte zunächst mit Hilfe des Beighton Scores die Gelenküberbeweglichkeit getestet werden. Die Haut wird in Hinblick auf Gefühl (wie teigig oder samtig) und Überdehnbarkeit untersucht. Auch eventuelle Narben sollten begutachtet werden. Außerdem sollten Patienten umfangreich zur Symptomatik befragt und die Krankenakte beachtet werden. Die erhobenen Ergebnisse werden dann mit den klinischen Kriterien der Ehlers-Danlos-Syndrome abgeglichen. Eine finale Diagnose wird durch eine Genuntersuchung gestellt.[41] Die Diagnose hypermobiles Ehlers-Danlos-Syndrom (hEDS) wird klinisch gestellt. Die Diagnosekriterien unterteilen in drei Kriterienbereiche, die alle erfüllt werden müssen. Kriterium 1 ist ein positiver Befund hinsichtlich des Beighton Scores (mind. 5/9 bei Erwachsenen). Kriterium 2 ist unterteilt in die Bereiche A, B und C. Um Kriterium 2 zu erfüllen, müssen zwei der drei Bereiche zutreffen. A umfasst das Vorliegen von mind. 5/12 systematischen Manifestationen, B umfasst ein familiäres Auftreten von hEDS und C umfasst Schmerzen und Instabilitäten. Kriterium 3 sieht einen Ausschluss anderer Erkrankungen vor.[12]

Differentialdiagnostisch sollten u. a. folgende Erkrankungen abgeklärt werden:

Die Diagnostizierung von seltenen Krankheiten im Allgemeinen und EDS im Besonderen wirft in der Praxis Probleme auf. Nach einer Studie im Jahr 2005 erhielten z. B. ca. 25 % der Betroffenen ihre EDS-Diagnose erst 28 Jahre nach dem Auftreten der ersten Symptome.[42]

Für eine EDS-Diagnose ist die Erstformulierung eines klinischen Verdachtes entscheidend. Ausschlaggebend ist die Präsenz von Major und Minor Kriterien, die eine hohe Sensitivität für die Krankheit darstellen. Eine positive Familienhistorie kann den Verdacht auf ein EDS erhärten. In der Praxis gestaltet sich die Diagnosestellung allerdings oft anders. Meist sind es verschiedene Symptome, die in Kombinationen, Schwere und Häufigkeiten des Auftretens ungewöhnlich sind und somit die Suche nach einer erklärenden Ursache initiieren. Dabei stoßen Erkrankte häufig auf Hürden im Gesundheitssystem. Die Unkenntnis über EDS von weiten Teilen der Ärzteschaft lässt die Betroffenen oft eine jahrelange Odyssee bis zur Diagnosestellung erleben.[43]

Symptomatiken nach Bereichen (unvollständig):[44][45]

Kardiologie Aortenaneurysma; Gefäßerweiterungen; vergrößertes Herzkranzgefäß; Mitralklappenprolaps; Chronische Cerebro-Spinale Venöse Insuffizienz;[46] Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom POTS
Rheumatologie/Orthopädie Hypermobilität (Beighton Score ≥ 5); Senkfuß, Knickfuß, Spreizfuß; spontane Sub-/ Luxationen; Chronische Gelenk- und Muskelschmerzen; Skoliose/Kyphose; Beinlängenunterschied; Hüftdysplasie; Hernie; Kielbrust (Pectus carinatum), frühzeitige Arthrose; Degeneration der Bandscheiben; Zysten an Gelenken, Arachnodaktylie, Klinodaktylie des kleinen Fingers.[47]
Dermatologie/Sportmedizin weiche, samtige Haut; dünne, durchscheinende Haut; leichte Verletzbarkeit; breite Narben; kleine Griessknoten; verzögerte Wundheilung; Hämatomneigung; häufige Verletzungen; schnelle Ermüdung; verzögerte motorische Entwicklung; Muskelhypotonie[48]
Zahnmedizin hoher Gaumen; Zahnfehlstellungen; Zahnfleischrückgang; Kiefergelenkschmerzen, kraniomandibuläre Dysfunktion[49]; hypermobile Zunge; Blutungen im Mund-/ Rachenraum
Gastroenterologie/Innere Medizin Eingeweidebrüche (Hernie); Gastroparese[50]; Übelkeit[50]; Abdominalschmerz[50]; Verdauungsstörungen durch Kontraktionsstörungen; Sodbrennen, Reizdarmsyndrom, Dickdarmerweiterungen, Hämorrhoiden, Gebärmuttersenkung, Mastzellaktivitätsstörung[46]; chronische Erschöpfung[51]
Neurologie Chiari-Malformation;[52] Tethered cord;[53] Dysautonomie;[54] Neuralgie; Migräne; zervikale Spondylolisthesis; HWS-Erkrankung; Kopfschmerzen; generelle Koordinationsstörungen; schlechtes Balancegefühl; spinale Stenose; verminderte Wirksamkeit von Lokalanästhetikum; Schwäche; Müdigkeit; Schlafstörung
Psychologie Depression; Angstzustand; Gesellschaftsrückzug durch Unverstandensein und Schmerzen;
Augenheilkunde Lichtempfindlichkeit; Schielen; Kurzsichtigkeit; trockene Augen; Netzhautablösung; Linsenverschiebung; Keratokonus;[55] Makuladegeneration[56]

Schmerzen

Schmerz als Diagnosekriterium bedarf wegen der Relevanz einer ausführlicheren Betrachtung. Starke Schmerzen, die sowohl chronisch als auch akut sein können, sind bei allen Typen des Ehlers-Danlos-Syndroms verbreitet.[57] Damit kann der Schmerz erheblichen Einfluss auf Betroffene nehmen und stark beeinträchtigend sein.[58] Er kann in Verbindung mit Hypermobilität, der Frequenz von (Sub-)Luxationen, Verletzungen des Bindegewebes und früheren Operationen stehen. Der Schmerz kann den Stütz- und Bewegungsapparat betreffen, in mehreren Körperregionen ("widespread pain") lokalisiert sein und als Myalgie, Arthralgie und/oder Neuralgie auftreten. Da die Ehlers-Danlos-Syndrome Erkrankungen des Bindegewebes sind, das sich im ganzen Körper befindet, können zahlreiche Vorgänge zu Schmerzen führen. Beim hypermobilen Ehlers-Danlos-Syndrom (hEDS) wird u. a. der Verlust von Propriozeption als ein wichtiger Faktor in der Entstehung von chronischem Schmerz gesehen. Die Bewegungen der Gelenke über das Normalmaß können zu ständig wiederkehrenden Gewebeverletzungen führen.

Meist ist die Schmerzbehandlung der Patienten nicht ausreichend. Das liegt auch am komplexen Entstehungsbild der Schmerzen, denn es geht häufig nicht um einen Schmerz, der seine Funktion verloren hat, sondern um tatsächliche, ständig wiederkehrende Verletzungen verschiedenster Strukturen.[59]

Therapie

Für die Ehlers-Danlos-Syndrome gibt es keine Heilung. Allgemein lässt sich sagen, dass eine auf den Patienten angepasste multimodale Therapie dringend zu empfehlen ist. Diese sollte aus Physiotherapie, Schmerztherapie und psychologischer Unterstützung bestehen.[59] Patienten mit dem vaskulären Typ gelten als am meisten gefährdet und sollten unter ständiger ärztlicher Überwachung stehen. Die medizinische Intervention für alle EDS-Typen ist auf eine symptomatische Therapie begrenzt, die sich in einer Reihe von Empfehlungen auflisten lässt.

Eine Überwachung des kardiovaskulären Systems, Physiotherapie, berufliche Rücksichtnahme (sofern das Nachgehen einer beruflichen Tätigkeit möglich ist), orthopädische Hilfsmittel, wie Orthesen, Bandagen, Gehstöcke, Rollatoren oder Rollstühle, können hilfreich sein. Aktivitäten mit Überstreckung bzw. Blockierung der Gelenke sollten vermieden werden. Notwendige chirurgische Eingriffe sollten mit Bedacht durchgeführt werden. Für die ggf. notwendige Anästhesietechnik gibt es verschiedene mögliche Erschwernisse, wie das Nichtansprechen auf Lokalanästhetika, schwierige Atemwegsverhältnisse, Neigung zu Gefäßeinrissen bei Anlage zentralvenöser Katheter und massive Blutungsereignisse insbesondere bei Bagatelloperationen bei EDS-Patienten mit fragilen Gefäßen.[60][61] Operative Eingriffe sollten nur in Zentren mit ausreichender Expertise in der Behandlung des EDS durchgeführt werden. Bänderraffungen o. Ä. zur Gelenkstabilisierung führen häufig nicht zum gewünschten Erfolg. In der Physiotherapie sollten Haltungstraining und Stabilitätsübungen mit dem Aufbau der dafür verantwortlichen kleinen Muskeln im Vordergrund stehen. Mit Bandagen können die empfindlichsten Stellen vor Verletzungen geschützt werden. Manche Patienten reagieren auf die Gabe von Vitamin C mit verminderter Schwellungsneigung und verbesserter Wundheilung. Versuche mit biotechnischem Hautersatz bei nicht heilenden Wunden waren bei einzelnen Patienten erfolgreich.[62]

Kinder sollten mit Informationen über EDS versorgt werden, sodass sie verstehen können, warum Kontaktsportarten oder andere belastende Freizeitbeschäftigungen vermieden werden sollten. Auch ist es wichtig, die Haltungskontrolle frühzeitig zu fördern, um Schäden durch Fehlhaltungen vorzubeugen. Familienmitglieder, Lehrer und Freunde sollten ebenfalls aktiv informiert werden, damit sie das Kind akzeptieren und ggf. fördern können.

Emotionale Unterstützung, Verhaltenstherapie und psychologische Unterstützung helfen den Betroffenen aller Subtypen, die Beeinträchtigung zu akzeptieren oder besser damit zurechtzukommen. Patientenorganisationen können dabei behilflich sein (siehe Weblinks).[63][64]

Auflistung nach Fachgebieten:

Kardiologie Ultraschalluntersuchung jährlich, bei unauffälligem Befund alle 3 Jahre; Betablocker bei vergrößerter Aorta und/oder Bluthochdruck; Behandlung von POTS und kardio-vaskulären Problemen klassisch (wie bei Patienten ohne EDS)
Rheumatologie/Orthopädie physiotherapeutische Begleitung; lebenslanges Training für Stabilität und Kraft (funktionales Reha-Programm), Übungen mit minimaler Gelenkbeteiligung und wenig Kraft: Balanceübungen, isometrische Übungen, Wassergymnastik, Tai Chi, Pilates, Vermeidung von Kontaktsportarten, repetitiven Bewegungsabläufen und Überdehnung beim Stretching; Gelenkschutz: Vermeidung von Übergewicht, Schuheinlagen; Bandagen, Kinesiotaping für am meisten betroffene Gelenke; Anpassung des Lebens- und Bewegungsstils; ergonomische Arbeits- und Hilfsmittel: unterstützende Matratzen und Kissen, Schreibutensilien mit Griffverstärkung, Haushaltshilfen; Vermeidung von stabilisierenden Operationen; Gelenksersatz, wenn notwendig; periodische Knochendichtemessung
Dermatologie/Sportmedizin Vermeidung von Traumata/Verletzungen, ggf. tägliche Vitamin-C-Gabe; klebende Bandagen können zu Hautrissen führen; Wundverschluss ohne Spannung und in zwei Lagen mit längerer Liegezeit der Fäden, Zugpflaster gegen breite Narben
Zahnmedizin Untersuchungen und Prophylaxe alle 6 Monate, vermindertes Ansprechen bei Lokalanästhesie beachten
Gastroenterologie/Innere Medizin kleine Mahlzeiten; Behandlung von Magen-Darm-Problemen klassisch; besondere Überwachung in der Schwangerschaft
Neurologie Schmerzbehandlung mit steroiden und nichtsteroiden Analgetika, anderen Non-Opioid-Analgetika und Opioid-Analgetika, Antikonvulsiva, Cannabinoiden[59], Low Dose Naltrexone (LDN)[65]
Psychologie psychologische Unterstützung; Schmerztherapie; Vermittlung von Patientenorganisationen
Augenheilkunde regelmäßige Augenuntersuchung (Netzhaut)

Sonstiges

EDS hypermobiler Typ vs. Hypermobilitätssyndrom:

Die klinischen Kriterien, die für das Hypermobilitätssyndrom und für die hypermobile Variante von EDS galten, waren unspezifisch und für beide Seiten nicht exklusiv.[66] Deshalb vertraten einige Ärzte und Wissenschaftler die Auffassung, dass das Hypermobilitätssyndrom eine milde Variante des hypermobilen Typs von EDS darstellt.[67] Im Zuge der neuen Diagnosekriterien von 2017 wurden die Kriterien für das hypermobile Ehlers-Danlos-Syndrom (hEDS) deutlich überarbeitet. Für Patienten, die diese nicht erfüllen und auch sonst keine andere Erkrankung die Symptome erklärt, wurde im Zuge der Aktualisierung der Begriff hypermobility spectrum disorders (HSD) eingeführt. HSD schließt die Lücke zwischen asymptomatischer Gelenksüberbeweglichkeit und hEDS.[68]

Methylentetrahydrofolat-Reduktase

Methylentetrahydrofolat-Reduktase (kurz MTHFR) spielt eine große Rolle in der Methylisierung des Körpers, ist besonders an der Verstoffwechselung von B6, B12, Folsäure beteiligt.[69] Mutationen in diesem Gen werden mit mehreren Krankheitsbildern in Verbindung gebracht, besonders Neuralrohrdefekten,[70] Homocysteinurie,[71] und es wird spekuliert, ob es auch zu einem Phänotyp des Ehlers-Danlos-Syndroms führen kann. Genaueres hierzu ist nicht bekannt, es zeigten sich jedoch Mutationen in diesem Gen bei einigen Familien mit dem Ehlers-Danlos-Syndrom.[72][73][74]

Prognose

Der Ausblick für Menschen mit EDS hängt vom Typ ab, mit dem sie diagnostiziert worden sind. Die Symptome variieren sogar innerhalb der Subtypen und die Häufigkeit von Komplikationen ist von Patient zu Patient unterschiedlich. Manche Betroffene haben nur geringfügige Einschränkungen, während andere durch die Schwere im täglichen Leben stark eingeschränkt sind. Extreme Gelenkinstabilität, Schmerzen und Wirbelsäulendeformation können die Mobilität stark einschränken. Die meisten Betroffenen haben eine normale Lebenserwartung. Allerdings sind Patienten mit Gefäßbeteiligung einem erhöhten Risiko von schwerwiegenden Komplikationen ausgesetzt.

EDS ist ein lebenslanger Zustand mit meist progredientem Verlauf. Betroffene sehen sich mit sozialen Hindernissen wegen ihrer Krankheit konfrontiert. Einige Patienten berichten von Ängsten vor schwerwiegenden und schmerzhaften Rupturen, vor Verschlimmerung des Zustandes, vor Arbeitslosigkeit wegen ihrer physischen und emotionalen Lasten sowie vor sozialer Ausgrenzung im Allgemeinen. Eine Gentherapie oder andere Ansätze für eine Heilung sind nicht in Sicht, Studien dazu sind bisher nicht bekannt.

Ehlers-Danlos-Syndrom bei Tieren

Ehlers-Danlos-Syndrom beim Hund

Ein Ehlers-Danlos-Syndrom tritt auch bei Hunden und Katzen auf. Betroffene Tiere zeigen eine stark erhöhte Verletzbarkeit der Haut, wobei die Hautwunden schnell vernarben. Die Dehnbarkeit der Haut ist stark erhöht. Die Erkrankung wird rezessiv vererbt. Differentialdiagnostisch ist vor allem eine Verdünnung der Haut infolge hoher Kortisolspiegel (Cushing-Syndrom) oder Langzeittherapie mit Glucocorticoiden abzuklären. Die Diagnose wird elektronenmikroskopisch gesichert. Eine Behandlung ist nicht möglich.[75]

Literatur

  • Andreas Luttkus: Das Ehlers-Danlos-Syndrom: eine interdisziplinäre Herausforderung, Walter de Gruyter, 2011, ISBN 978-3-11-024955-2 eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche
  • Brat T. Tinkle, Carrie L. Atzinger: 24 Ehlers-Danlos-Syndrome in: Suzanne B. Cassidy, Judith E. Allanson: Management of Genetic Syndromes, John Wiley & Sons, ISBN 978-0-470-19141-5 eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche
  • Brat T. Tinkle: Issues and Management of Joint Hypermobility: A Guide for the Ehlers-Danlos Syndrome Hypermobility Type and the Hypermobility Syndrome, Left Paw Press, 2008, ISBN 978-0-9818360-1-0
Commons: Ehlers-Danlos syndrome  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Patientenorganisationen:

Einzelnachweise

  1. 1 2 Genetics Home Reference: Ehlers-Danlos syndrome. Abgerufen am 23. September 2019 (englisch).
  2. Seltene Erkrankungen. Bundesministerium für Gesundheit, 17. Mai 2019, abgerufen am 24. September 2019.
  3. L. A. Parapia, C. Jackson: Ehlers-Danlos syndrome–a historical review. In: British Journal of Haematology. Band 141, Nummer 1, April 2008, S. 32–35, ISSN 1365-2141. doi:10.1111/j.1365-2141.2008.06994.x. PMID 18324963.
  4. J. v. Meekeren: Een rekkelijke spanjert, Hooft-stuk 29. In Heel- en Geneeskonstige Aanmerkingen, van Job vall Meekeren, in sijn leven Heelmeester der Stadt, Admiraliteyt en ’t Gasthuys binnen Amsterdam. 1668, S. 170–172.
  5. A. N. Tschernogubow: Ein Fall von cutis laxae. In: Protokoly Moskowskawo Venere-ologitscheskawo i Dermatologitscheskawo Obtschestwa. 1891/1892, 1, S. 23–29 (cited by Steinmann et al [21] ).
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